Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreizehnter Jahrgang. 1897. (38)

64 Das Dentsche Reihh und seine einzelnen Glieder. (März 17.) 
für Auswanderungslustige. — Der Entwurf, gegen den sich nur Vertreter 
der freisinnigen Vereinigung aussprechen, wird an eine Kommission ver- 
wiesen. (Vgl. W. Weber, „Preuß. Jahrb.“ Bd. 88.) 
17. März. (Reichstag.) Antrag auf Abänderung der 
Bäckereiverordnung (vgl. 1896 S. 42, 102). 
Die Abgg. v. Kardorff und v. Stumm (RP.) beantragen die Ab- 
änderung der Bäckereiverordnung, die den Bäckerstand schädige. Staats- 
sekretär des Innern v. Bötticher: Die Berichte der einzelnen Bundes- 
staaten lägen jetzt vollständig vor; das Urteil über die Wirkungen der 
Verordnung laute aber sehr verschieden. Einig seien die Regierungen in- 
dessen darin, daß ein sicheres und definitives Urteil nach so kurzer Zeit 
noch gar nicht möglich sei. Namentlich werde dies von den Regierungen 
der größeren Bundesstaaten, so von Preußen, Bayern und Württemberg 
betont. Eine schwere Schädigung des Bäckereigewerbes werde nur von 
wenigen Staaten bezw. Bezirken konstatiert. Die Schädigung werde da- 
durch herbeigeführt, daß die Bäckermeister mit der gegebenen Zeit ohne 
Verstärkung des Arbeitspersonals nicht ausreichen, der eine Zunahme der 
Einnahmen nicht gegenüberstehe. Von verschiedenen Regierungen würden 
die Klagen der Bäckermeister als übertrieben bezeichnet. Von den 34 Re- 
gierungspräsidenten in Preußen konstatierten 17, daß die Durchführung der 
Verordnung nicht mit schweren wirtschaftlichen Schädigungen verknüpft ge- 
wesen sei; die Mehrzahl dieser Regierungspräsidenten bekunde sogar, daß 
die Ausführung der Verordnung nicht einmal nennenswerte Unbequemlich- 
keiten im Gefolge gehabt habe. Eine Verschlechterung des Verhältnisses 
zwischen Meister und Gesellen durch die Verordnung werde nur vereinzelt 
gemeldelt. Ebenso vereinzelt werde auch ein Steigen des Einflusses der 
Sozialdemokratie auf die Verordnung zurückgeführt, während eine Reihe 
preußischer Regierungspräsidenten bemerkte, durch die Verordnung sei der 
Sozialdemokratie ein wirksames Kampfmittel entzogen worden. Eine Zu- 
sammenstellung der Einzelberichte sei bereits vorgenommen; sie werde den 
einzelnen Regierungen zugehen, damit sie sich ein Urteil darüber bilden 
könnten, in welcher Richtung eine Abänderung der Verordnung etwa not- 
wendig wird. Seiner persönlichen Ansicht könne ein solcher vielleicht in 
Bezug auf die Dauer der Arbeitszeit vor Sonn= und Feiertagen eintreten. 
Auf keinen Fall aber könne er in Aussicht stellen, daß die verbündeten 
Regierungen die Verordnung ohne weiteres aufheben würden. 
Nach langer Debatte, in der sich Zentrum und Linke freundlich für 
die Verordnung aussprechen, während die übrigen Parteien sie bekämpfen, 
wird ein Antrag Pichler (3.) „in Erwägung, daß die vom Bundesrate 
veranlaßten Erhebungen einer Prüfung noch nicht unterzogen werden konnten, 
dieselben auch dem Reichstag nicht mitgeteilt sind, sich mithin noch nicht 
beurteilen lassen“, zur Tagesordnung über den Antrag Kardorff-Stumm 
überzugehen, mit 148 gegen 104 Stimmen angenommen. 
17. März. (Württemberg.) Erklärung der Fraktionen 
über die Reform des Wahlsystems. 
Die Fraktionen überreichen dem Ministerpräsidenten ihre Meinung 
über das einzuführende Landtags-Wahlverfahren. 1. Die Volkspartei (31 
Mitglieder) hält einen Ersatz der ausscheidenden Privilegierten für geboten, 
die einfache Listenwahl aber nicht für empfehlenswert; sie tritt demnach 
einstimmig ein für eine Berufung des Ersatzes durch die Proportionalwahl 
mit dem Vorbehalt möglichst einfacher Gestaltung des Verfahrens. 2. Das 
Zentrum (20 Mitglieder) hält die Verhältniswahl ebenfalls für ein ge-
	        
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