Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreizehnter Jahrgang. 1897. (38)

I. 
Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. 
1. Januar. Der Kaiser erläßt folgende Kabinetsordre über 
Einsetzung von Ehrengerichten bei Zweikämpfen von Offizieren: 
Ich lasse dem Kriegsministerium beifolgend die heute von Mir voll- 
zogenen Bestimmungen zur Ergänzung der Einführungsordre im preußischen 
Heere vom 2. Mai 1874 mit dem Auftrage zugehen, solche der Armee mit 
dem Hinzufügen bekannt zu machen, daß auch diese Bestimmungen den 
Offizieren durch die Kommandeure öfters in Erinnerung zu bringen sind. 
Neues Palais, den 1. Januar 1897. 
gez. Wilhelm. 
An das Kriegsministerium. 
Ich will, daß Zweikämpfen Meiner Offiziere mehr als bisher vor- 
gebeugt wird. Die Anlässe sind oft geringfügiger Natur, Privatstreitig- 
keiten und Beleidigungen, bei denen ein gütlicher Ausgleich ohne Schädigung 
der Standesehre möglich ist. Der Offizier muß es als Unrecht erkennen, 
die Ehre eines anderen anzutasten. Hat er hiergegen in Uebereilung oder 
Erregung gefehlt, so handelt er ritterlich, wenn er an seinem Unrecht nicht 
festhält, sondern zu gütlichem Ausgleiche die Hand bietet. Nicht minder 
muß derjenige, dem eine Kränkung oder Beleidigung widerfahren ist, die 
zur Versöhnung gebotene Hand annehmen, soweit Standesehre und gute 
Sitten es zulassen. Es ist deshalb Mein Wille, daß der Ehrenrat hinfort 
grundsätzlich bei dem Austrage von Ehrenhändeln mitwirken soll. Er hat 
sich dieser Pflicht mit dem gewissenhaften Bestreben zu unterziehen, einen 
gütlichen Ausgleich herbeizuführen. Um hierzu den Weg vorzuzeichnen, 
bestimme Ich, in Ergänzung der Einführungsordre zu der Verordnung 
über die Ehrengerichte der Offiziere im preußischen Heere vom 2. Mai 1874 
folgendes: 
I. Kommen zwischen Offizieren Privatstreitigkeiten und Beleidi- 
gungen vor, die nicht alsbald auf gütlichem Wege standesgemäß beglichen 
werden, so sind die Beteiligten verpflichtet, unter Unterlassung aller weiteren 
Schritte, ihrem Ehrenrate sofort Anzeige zu machen. 
II. Der Ehrenrat hat dann unter Leitung des Kommandeurs den 
Sachverhalt ungesäumt durch mündliche oder schriftliche Verhandlungen 
Europäischer Geschichtskalender. Bd XXXVIII. 1
	        
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