I.
Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder.
1. Januar. Der Kaiser erläßt folgende Kabinetsordre über
Einsetzung von Ehrengerichten bei Zweikämpfen von Offizieren:
Ich lasse dem Kriegsministerium beifolgend die heute von Mir voll-
zogenen Bestimmungen zur Ergänzung der Einführungsordre im preußischen
Heere vom 2. Mai 1874 mit dem Auftrage zugehen, solche der Armee mit
dem Hinzufügen bekannt zu machen, daß auch diese Bestimmungen den
Offizieren durch die Kommandeure öfters in Erinnerung zu bringen sind.
Neues Palais, den 1. Januar 1897.
gez. Wilhelm.
An das Kriegsministerium.
Ich will, daß Zweikämpfen Meiner Offiziere mehr als bisher vor-
gebeugt wird. Die Anlässe sind oft geringfügiger Natur, Privatstreitig-
keiten und Beleidigungen, bei denen ein gütlicher Ausgleich ohne Schädigung
der Standesehre möglich ist. Der Offizier muß es als Unrecht erkennen,
die Ehre eines anderen anzutasten. Hat er hiergegen in Uebereilung oder
Erregung gefehlt, so handelt er ritterlich, wenn er an seinem Unrecht nicht
festhält, sondern zu gütlichem Ausgleiche die Hand bietet. Nicht minder
muß derjenige, dem eine Kränkung oder Beleidigung widerfahren ist, die
zur Versöhnung gebotene Hand annehmen, soweit Standesehre und gute
Sitten es zulassen. Es ist deshalb Mein Wille, daß der Ehrenrat hinfort
grundsätzlich bei dem Austrage von Ehrenhändeln mitwirken soll. Er hat
sich dieser Pflicht mit dem gewissenhaften Bestreben zu unterziehen, einen
gütlichen Ausgleich herbeizuführen. Um hierzu den Weg vorzuzeichnen,
bestimme Ich, in Ergänzung der Einführungsordre zu der Verordnung
über die Ehrengerichte der Offiziere im preußischen Heere vom 2. Mai 1874
folgendes:
I. Kommen zwischen Offizieren Privatstreitigkeiten und Beleidi-
gungen vor, die nicht alsbald auf gütlichem Wege standesgemäß beglichen
werden, so sind die Beteiligten verpflichtet, unter Unterlassung aller weiteren
Schritte, ihrem Ehrenrate sofort Anzeige zu machen.
II. Der Ehrenrat hat dann unter Leitung des Kommandeurs den
Sachverhalt ungesäumt durch mündliche oder schriftliche Verhandlungen
Europäischer Geschichtskalender. Bd XXXVIII. 1