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2. Juli. Es trifft eine offizielle Nachricht ein, daß der
deutsche Gesandte in Peking, Frhr. v. Ketteler, ermordet ist.
2. Juli. (Preußen.) Es wird eine neue Pensionsordnung
für das preußische Heer veröffentlicht.
2. Juli. (Baden.) In der zweiten Kammer gibt der Mi-
nister des Innern folgende Erklärung ab über die beantragte Ab-
änderung des Wahlrechts:
Die Regierung muß sich hinsichtlich der Anträge auf Abänderung
einiger Bestimmungen der Verfassung und der Wahlbezirkseinteilung auf
die Erklärung beschränken, daß sie diese Entwürfe als eine geeignete Grund-
lage für eine Einigung der gesetzgebenden Faktoren nicht anzuerkennen ver-
mag. Sie hält nach wie vor an dem auch von der Minderheit der Ver-
fassungskommission prinzipiell angenommenen Grundgedanken ihrer den
Ständen unterbreiteten Denkschrift fest, daß bei Einführung des direkten
Wahlrechts nicht nur die Kopfzahl der Wähler in Betracht gezogen werden
kann. Die Regierung muß in Erwägung des Umstandes, gas ein Zu-
sammentritt mit der Verfassungskommission bezüglich der erwählten An-
träge und der Denkschrift nicht stattgefunden und sie von den Beschlüssen
der Kommission erst vor einigen Tagen Kenntnis erhalten hat, sich den
Kammerverhandlungen gegenüber Zurückhaltung auferlegen. Sie wird
aber in ihrem ernsten Bemühen, eine Annäherung der Anschauungen der
gesetzgebenden Faktoren herbeizuführen, auch ferner beharren, sowie, wenn
die Aussicht auf eine Einigung sich nicht ergeben sollte, zu einer Revision
der Wahlbezirkseinteilung schreiten.
2. Juli. (Wilhelmshaven.) Der Kaiser bestimmt, daß
die erste Division des ersten Geschwaders sich mit Beschleunigung
vorbereite, nach China in See zu gehen. Die Division besteht aus
den 4 Linienschiffen 1. Klasse „Brandenburg", „Wörth“, „Weißen-
burg", „Kurfürst Friedrich Wilhelm“ und dem kleinen Kreuzer
„Hela"“.
2. Juli. (Wilhelmshaven.) Der Keiser besichtigt die zur
Einschiffung bereiten Truppenteile und hält dabei folgende Ansprache:
Mitten in den tiefsten Frieden hinein, für Mich leider nicht uner-
wartet, ist die Brandfackel des Krieges geschleudert worden. Ein Ver-
brechen, uuerhört in seiner Frechheit, schaudererregend durch seine Grau-
samkeit, hat Meinen bewährten Vertreter getroffen und dahingerafft. Die
Gesandten anderer Mächte schweben in Lebensgefahr, mit ihnen die Kame-
raden, die zu ihrem Schutze entsandt waren. Vielleicht haben sie schon
heute ihren letzten Kampf gekämpft. Die deutsche Fahne ist beleidigt und
dem Deutschen Reiche Hohn gesprochen worden. Das verlangt exemplarische
Bestrafung und Rache. Die Verhältnisse haben sich mit einer furchtbaren
Geschwindigkeit zu tiefem Ernste gestaltet und find, seitdem Ich Euch unter
die Waffen zur Mobilmachung berufen, noch ernster. Was Ich hoffen
konnte, mit Hilfe der Marine-Infanterie wieder herzustellen, wird jetzt eine
schwere Aufgabe, die nur durch geschlossene Truppenkörper aller civilisierten
Staaten gelöst werden kann. Schon heute hat der Chef des Kreuzer-
geschwaders Mich gebeten, die Entsendung einer Division in Erwägung zu
nehmen. Ihr werdet einem Feinde gegegenüberstehen, der nicht minder
Europkischer Geschichtskalender. Bd. XII. 7