Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Sechzehnter Jahrgang. 1900. (41)

166 Nas Verische Keic #und seine einjelnen Slieder. (Dezember 10./13.) 
mitglieder. Er führe sein Amt durchaus unabhängig von privaten Ver- 
einigungen. Abg. Richter (irs. Vp.) ist einverstanden mit der Transvaal= 
politik, wünscht aber größere Sparsamkeit und keine Bevorzugung der Land- 
wirtschaft bei den künfrigen Handelsverträgen. 
12. Dezember. — Abg. Hasse (ul.): Er müsse leider in der Be- 
urteilung der auswärtigen Politik mit Bebel übereinstimmen. Unsere Neu- 
tralität sei zu Gunsten Englands und zum Schaden der Buren ausgefallen. 
Der Nichtempfang Krügers entspreche nicht der Volksstimmung und setze 
Deutschlands Ansehen im Auslande herab. Aus seiner Reise nach dem 
Haag zu Krüger sei ihm, dem Vorsitzenden des Alldeutschen Verbandes, mit 
Unrecht ein Borwurf gemacht worden. Schon am 15. November hatte der 
Verband beschlossen, dem Präsidenten Krüger beim Betreten des nieder- 
deutschen Bodens im Haag eine Adresse zu überreichen. Wir gingen dabei. 
von der Voraussetzung aus, daß Krüger von Frankreich zuerst seine Schritte 
nach den Niederlanden richten würde; wir können nichts dafür, daß es uns 
nicht möglich gemacht worden ist, dem Präsidenten Krüger unsere Adresse 
hier in Berlin zu überreichen. Der Haag ist allerdings, staatsrechtlich be- 
trachtet, Ausland; aber bedenken Sie gefälligst, daß der Alldeutsche Verband 
eine Körperschaft ist, deren Organisation über die ganze Erde verbreitet ist. 
(Zuruf: International!) Nicht international, sondern national! Aber das 
deutsche Bolk ist nicht nur innerhalb der Grenzen des Deutschen Reiches 
angefiedelt, sondern auch außerhalb dieser Grenzen; der Haag gehört zum 
niederdeutschen Stamme, und wir konnten deshalb dort so auftreten wie im 
Deutschen Reiche. (Unruhe) Die englischen Brutalitäten gegen Deutsche in 
Südafrika seien empörend, alle Nationen seien gut behandelt, nur bei den 
Deutschen hieß es: „only a German“. 
Reich-kanzler Graf Bülow: Der Abg. Hasse hat nicht ohne eine 
gewisse Erregung gesprochen, auch nicht ohne Pathos, schönes Pathos! 
(Heiterkeit.) Ich werde mich bemühen, so ruhig und so nüchtern als mög- 
lich zu reden, denn meine verantwortliche Stellung legt mir die Pflicht auf, 
mich lediglich von der Staatsraison leiten zu lassen. Es hat mich auch 
interessiert, zu sehen, wie munter der Abg. Hasse herumplätscherte in den 
blauen Wellen des unbegrenzten Ozeans der Konjekturalpolitik. (Heiterkeit.) 
Auch an diesem Vergnügen kann ich mich nicht beteiligen (Sehr gut!), ich 
muß auf der terra firma der Wirklichkeit bleiben. Ich zweifle nicht daran, 
daß der Abg. Hasse mir an diplomatischer Geschicklichkeit, an staatsmänni- 
scher Erfahrung und Einsicht, an Willenskraft weit überlegen ist, ich bin 
aber doch überzeugt, daß, wenn er an meiner Stelle stünde — das glaube 
und erwarte ich von seinem Patriotismus — und wenn er die Verhältnisse 
in der Welt und in Europa so kennt wie ich, er genau dieselbe Politik 
machen würde wie ich. Der Abg. Hasse hat selbst erwähnt, daß er am 
vergangenen Montag bei der Einleitung der Etatsberatungen hier nicht zu- 
gegen war; ich denke nicht daran, ihm daraus einen Vorwurf zu machen. 
Ich kann aber nicht bloß seinetwegen alles wiederholen, was ich schon vor- 
gestern gesagt habe. Ich gehe also nicht ein auf denjenigen Teil meiner 
damaligen Ausführungen, durch die ich glaube, vieles von dem, was der 
Abg. Hasse heute sagte, im voraus widerlegt zu haben. Ich wende mich 
zu dem, was er Neues gesagt hat. Der Abg. Hasse hat sich gewandt gegen 
die Art und Weise und gegen unseren modus procedendi gegenüber dem 
Präsidenten Krüger. Die Sache lag ganz einfach so: als wir hörten, daß 
der Präsident Krüger die Absicht habe, nach Berlin zu kommen — diese 
Nachricht war für uns überraschend, diese Nachricht bekamen wir 24, höch- 
stens 48 Stunden, bevor die Abreise stattfinden sollte; bisher war allgemein 
angenommen worden, der Präsident Krüger würde sich von Paris nach
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.