Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Sechzehnter Jahrgang. 1900. (41)

170 Nes Veutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Dezember 16.) 
Ich Mich auf euch verlassen konnte. Im Namen des deutschen Volkes sage 
Ich euch hiemit Dank. Ihr habt euren Fahneneid gehalten, und jeder von 
euch wird in schwerer Stunde an den Fahneneid gedacht haben, und es 
wird euch die Bedeutung des Fahneneides klar geworden sein. Eure Hand 
hat nicht gezittert, das Auge hat sich nicht getrübt, und so habt ihr in 
schweren Kämpfen den Sieg errungen. Der Herr der Heerscharen hat euch 
geführt, hat euch beschützt und hat euch wieder glücklich in die Heimat 
zurückkehren lassen. Dafür müssen wir ihm dankbar sein. Ich habe euch 
in der Reichshauptstadt einziehen lassen, damit auch das deutsche Volk Ge- 
legenheit habe, euch seinen enthusiastischen Willkommgruß zu entbieten. 
Von heute an ist kein Zweifel mehr darüber, daß Heer und Marine Eins 
find. Jedes kann sich auf das andere verlassen, jedes zollt dem anderen 
Achtung und darin soll niemand mehr im Zweifel sein (hier erhöht der 
Kaiser die Stimme und hebt den Marschallstab mit der rechten Hand in 
die Höhe), daß da, wo Ich Meine blauen Jungen hinsetze, sich niemand 
dartber, setz. Nun Gott befohlen und empfangt nochmals Meinen kaiser- 
ichen Dank. 
16. Dezember. Das Schulschiff „Gneisenau“ geht im Hafen 
von Malaga bei einem Sturm unter. 41 Mann ertrinken. 
Am Morgen des 16. Dezember herrschten auf der Rhede von Ma- 
laga schwache nördliche umspringende Winde. Gegen 10 Uhr vormittags 
schlief der Wind vollständig ein. Kurze Zeit darauf setzte plötzlich eine 
Boe aus Südost ein, der Wind frischte in wenigen Minuten bis zur Wind- 
stärke 8 auf und nahm andauernd an Stärke zu. Der Kommandant befahl 
sofort bei der ersten Boe, den einen Kessel, welcher Dampf auf hatte, auf- 
zufeuern und die übrigen Kessel anzustecken, um dann in See zu gehen. 
Inzwischen fing das Schiff bereits an zu treiben. Es wurde darauf hin 
der Maschine der Befehl gegeben, das Dampfaufmachen so viel als irgend 
möglich zu beschleunigen. Nach Verlauf von ungefähr ½ Stunde kam die 
Meldung, daß die Maschine mit langsamer Fahrt angehen könnte. Da 
das Schiff mit dieser Maschinenleistung Fahrt vorausmachte, entschloß sich 
der Kommandant, Kette zu schlippen und frei zu dampfen. Kurze Zeit, 
nachdem dies geschehen war, versagte die Maschine. Das Schiff trieb nun 
bei dem starken Winde sehr schnell achteraus, worauf der Kommandant den 
Backbordanker fallen ließ. Der Anker hielt jedoch nicht; das Schiff trieb 
weiter auf die Ostmole zu. Als der Kommandant sah, daß keine Rettung 
für das Schiff möglich war, ließ er „Schotten dicht“ anschlagen. Kurze 
Zeit darauf stieß das Schiff mit dem Heck auf die Steine der Mole. Gleich 
darauf kam von der Maschine die Meldung, die Maschinenabteilung liefe 
voll Wasser. Bei jeder rollenden See wurden die Stöße stärker, und da 
der Kommandant die Aussichtslosigkeit der Rettung einsah, gab er den 
Befehl: „Alle Mann aus dem Schiff!“ Dementsprechend befahl der erste 
Offizier: „Die Steuerbordboote zu Wasser, Leinen an Land geben und an 
diesen das Schiff verlassen!“ Es wurden von Vord aus Leinen an Land 
gegeben, und an diesen versuchte die Mannschaft sich zu retten. Die ersten 
Leinen wurden von den Spaniern wahrgenommen, die anderen durch die 
an Land bereits geretteten Leute. Nach Verlauf von ungefähr ½ Stunde, 
während welcher Zeit das Schiff stets schwer auf die Felsen schlug, fing 
es an. langsam zu sinken, und sank bis an die Höhe der Untermasten. 
Der noch an Bord befindliche Teil der Mannschaft enterte zum Teil in 
die Takelage und wurde von dort aus mit Leinen gerettet. Das Verhalten 
der Besatzung war ausgezeichnet. Die Bevölkerung Malagas leistete von 
Land aus opferwilligsten Beistand. (Reichs-Anz.“)
	        
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