Bie Gesterreichisch-Augarische Monarhie. (März 4.—22.) 179
4. März. (Wien.) Mehrere Tausend Arbeiter veranstalten
Straßenkundgebungen gegen die neue Gemeindewahlordnung.
7. März. (Wien.) Das Abgeordnetenhaus wählt den Abg.
Prade (deutsche Linke) zum ersten Vizepräsidenten und lehnt einen
Antrag, das Ministerium Wittek in Anklagezustand zu versetzen,
mit 94 gegen 60 Stimmen ab. — Zum zweiten Vizepräsidenten
wird am 9. der Tscheche Zacek gewählt.
12. März. (Wien.) Erklärung Körbers über die Neutra-
lität im südafrikanischen Kriege.
Auf eine Interpellation des Deutsch-Nationalen Wolf über Lieferung
von Kriegsmaterial an England, die die öffentliche Meinung mißbillige,
erwidert Ministerpräsident v. Körber, daß die Neutralität sich wohl als
Rechtsverhältnis für die Staaten, aber nicht für die einzelnen Angehörigen
eines neutralen Staates darstelle. Demnach müßte sich der neutrale Staat
jeder Unterstützung oder Begünstigung einer kriegführenden Partei enthalten,
dagegen hat er auf die Handelsgeschäfte seiner Angehörigen keinen Einfluß
zu nehmen. Mit den Pferdeankäufen in Ungarn habe die Regierung nichts
zu thun. Die Pferdehändler benutzten die günstige Erwerbsgelegenheit und
hätten dasselbe auch für einen anderen kriegführenden Teil gethan. Die
Regierung konnte ein Pferdeausfuhrverbot nicht erlassen und damit einen
ganzen Handelszweig lahm legen. Ein solches Verbot wurde von keinem
neutralen Staat erlassen, auch nicht während des griechisch-türkischen Kriegs.
Die Regierung sei ängstlich darauf bedacht, sich von allen Sympathiege-
fühlen für den einen oder anderen kriegführenden Teil fernzuhalten. Die
Regierung unternehme und unterlasse nichts, was als eine Vernachlässigung
und Verletzung der Neutralitätspflichten gedeutet werden könne.
13. März. (Wien.) Das Abgeordnetenhaus genehmigt das
Rekrutenkontingent gegen die Stimmen der Tschechen und eines
Teiles der deutschen Linken. — In den letzten 3 Jahren hatte die
Aushebung infolge der Obstruktion mittels des § 14 vorgenommen
werden müssen.
22. März. (Miramar.) Die Erzherzogin Stephanie ver-
mählt sich mit dem Grafen Lonyay. Die „Wiener Zeitung“ be-
richtet darüber:
„Ihre kaiserliche und königliche Hoheit, die durchlauchtigste Kron-
prinzessin Witwe Erzherzogin Stephanie, hat sich am 22. d. M. zu Mira-
mar mit dem k. u. k. Kämmerer Grafen Elemer Lonyay vermählt. Nachdem
diese Ehe eine nicht ebenbürtige ist, so gebührt, nach den am Allerhöchsten
Hof bestehenden Grundsätzen, der nunmehrigen Frau Gräfin Stephanie Lo-
nyay innerhalb der ößterreichisch-ungarischen Monarchie weder der Titel
„königliche Hoheit“ noch der Rang einer Prinzessin von Belgien, Herzogin
zu Sachsen-Coburg. Hievon geschieht auf Grund einer Mitteilung Sr. k.
und k. apostolischen Majestät Oberhofmeisteramtes die Verlautbarung."“
März. (Pest.) Die der Regierungspartei nicht angehörigen
sächsischen Abgeordneten konstituieren sich zu einer besonderen Frak-
tion, um bei den Wahlen in die Ausschüsse berücksichtigt zu werden.
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