Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Sechzehnter Jahrgang. 1900. (41)

Bie Gesterreichisch-Augarische Menargie. (Sept. Mitte—Okt. Anf.) 191 
ein selbständiges Vertretungsgebiet der ehemals zum deutschen Bunde ge- 
hörigen Provinzen und einen über ein völkerrechtliches Bündnis hinaus- 
reichenden Anschluß an das Deutschreich.“ Den Wählern wird bei der Wahl 
als Leitwort empfohlen: „Der Mann und seine Sache muß durch und durch 
deutsch sein!“ 
„Deutsche Fortschrittspartei“: „Die nächste Zukunft könne entscheiden, 
ob Oesterreich als Einheitsstaat weiter bestehen oder in seine Bruchteile zer- 
schlagen und einer slavischen Diktatur überantwortet werden solle. Der 
Wahlaufruf bezeichnet es als einen Irrtum, daß der nationale Kampf von 
tschechischer Seite nur geführt werde wegen der Regelung der Amtssprache 
in einigen Gebieten des Reiches, und erklärt, die Deutschen erhofften eine 
Besserung nur von dem Zusammenwirken einer zielbewußten Regierung und 
einer gewissenhaften Volksvertretung, durch welche unter gesetzlicher Fest- 
legung der deutschen Sprache als Staats= oder Vermittelungssprache das 
einheitliche Gefüge des Staates gesichert werden müßte. Nur unter dieser 
Voraussetzung könne die ererbte Stellung des deutschen Volkes befestigt, die 
Macht des Staates nach außen gewahrt und die wirklichen wirtschaftlichen 
Aufgaben der nächsten Zeit in befriedigender Weise gelöst werden.“ 
Die „Katholische Volkspartei“ gibt als die Hauptpunkte ihres Pro- 
gramms an: 1. Die Katholische Volkspartei erklärt sich gegen das böhmische 
Staatsrecht; 2. sie tritt für die Erhaltung der deutschen Vermittlungssprache 
in ihrem faktischen Bestande ein; 3. sie erklärt, keine aggressive Haltung 
egen die Organisation der deutschen Gemeinbürgschaft einzunehmen; 4. sie 
ist bereit, die Regierung in der Flottmachung des Parlaments zu unter- 
stützen; 5. sie erklärt sich für eine Politik der freien Hand und gleichzeitig 
für ein Zusammengehen mit dem Polenklub. 
„Sozialdemokraten“: „Das arbeitende Volk aller Zungen hat keine 
Lust, an dem Wahnwitz und dem Egoismus der Herrschenden zu grunde zu 
geben. Es gilt, entschlossen das alte ausgelebte Oesterreich endgültig zu 
egraben und einen neuen Bau aufzurichten. Die Sozialdemokratie allein 
hat als Antwort auf die nationalen Fragen: Nationale Autonomie und 
ehrliche Demokratie. Die Sozialdemokratie tritt in den Wahlkampf mit 
dem Rufe: Allgemeines, direktes, gleiches Wahlrecht, nationale Selbständig- 
keit, freies Bündnis aller VBölker, Kampf gegen Ausbeutung, Knechtschaft 
und Volksverdummung.“ 
„Polenklub“: „Es müsse eine Gesundung des parlamentarischen Lebens 
angestrebt werden. Eingedenk der Pflichten gegenüber dem Staate, in wel- 
chem die Polen frei zu leben vermögen, sowie eingedenk der traditionellen 
Anhänglichkeit der Polen an die konstitutionellen Freiheiten sei es vor allem 
die Aufgabe der Abgeordneten, die Rechte der Sprache und der Landes- 
autonomie zu verteidigen. In dem Aufruf werden weiter alle nationalen 
Parteien aufgefordert, nur Kandidaten aufzustellen, welche ohne Rücksicht 
der Parteischattierung die Notwendigkelt einer nationalen Solidarität an- 
erkennen und sich während der ganzen Zeit der Mandatsdauer strikte der 
Solidarität im Polenklub unterwerfen. 
Mitte September. (Siebenbürgen.) Die ungarische Re- 
gierung versucht an Stelle der deutschen magyarische Ortsnamen 
einzuführen. Die Ortsbehörden widersetzen sich energisch. 
21. September. (Dux i. Böhmen.) Bei einem Grubenunglück 
werden über 50 Arbeiter getötet. 
Anfang Oktober. Die meisten österreichischen und ungarischen 
 
	        
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