Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Sechzehnter Jahrgang. 1900. (41)

Rußland. (August 8.—September 1.) 273 
Generalgouverneurs oder von ihm defignierter Amtspersonen bedürfen; 
2. russischen Hausierern ist das freie Gewerberecht im ganzen Lande erteilt 
(dbie russischen Haufierer waren seit 1899 oft reichlich mit Geld versehen 
und wirkten zur Aufhetzung der ärmeren Bevölkerung gegen die besitzenden 
Klassen); 3. die russische Sprache ist bei den Verwaltungsbehörden des 
Großfürstentums Finnland eingeführt, indem bestimmt wurde, daß im 
Staatssekretariat des Großfürstentums und in der Finnländischen Paß- 
expedition (beide in St. Petersburg), sowie in der Kanzlei des General- 
gouverneurs (Helfingfors) vom 1. Oktober 1900 an nur die russische Sprache 
zur Anwendung kommen, daß vom 1. Oktober 1903 an sowohl die schrift- 
liche als die mündliche Behandlung sämtlicher Angelegenheiten im Senat 
in russischer Sprache erfolgen und daß ebenfalls vom 1. Oktober 1903 an 
sämtliche dem Senat unterstellten Zentralbehörden und die Gouverneure 
mit den ihnen übergeordneten Behörden ausschließlich in russischer Sprache 
verkehren sollen. — Der finnländische Senat hatte am 3. Juli erklärt, daß 
er diese Verordnungen nicht veröffentlichen könne. 
8. August. (Petersburg.) Graf Lamspdorff, der bisherige 
Gehilfe des Ministers des Auswärtigen, wird zum Verweser des 
Ministeriums des Auswärtigen ernannt. 
Mitte August. Der „Regierungsbote“ bringt folgende Mit- 
teilung über die Ernennung Waldersees zum Oberfeldherrn in China: 
Als unter den Mächten ein Meinungsaustausch über die beste Art 
der Einigung bezüglich der Operationen der internationalen Truppen statt- 
fand, wandte sich Kaiser Wilhelm direkt telegraphisch an Kaiser Nikolaus, 
sowie auch an alle interessierten Regierungen und stellte den Feldmarschall 
Grafen von Waldersee zur Berfügung, welchem in der Eigenschaft eines 
Oberkommandierenden die Leitung der Operationen der auf dem Kriegs- 
schauplatz von Petschili konzentrierten internationalen Truppen übertragen 
werden könnte. Von dem Wunsche beseelt, die im fernen Osten entstandenen 
Verwicklungen in kürzester Zeit zu ordnen, antwortete Kaiser Nikolaus, 
daß er seinerseits kein Hindernis für die Annahme des Vorschlages Kaiser 
Wilhelms finde aus dem Grunde, weil von dem Augenblick der Kon- 
zentrierung bedeutender internationaler Truppen auf dem chinesischen Gebiet 
die Einheitlichkeit der Operationen die unerläßliche Vorbedingung einer 
erfolgreichen Lösung der jenen Truppen gestellten Aufgabe bleibe, weil 
ferner die hohe Stellung des Grafen Waldersee als Feldmarschall ihm auch 
vorzugsweise das Recht auf die Leitung der Operationen der einzelnen 
Truppenabteilungen zu einem allen gemeinsamen Ziele gebe und weil end- 
lich Motive moralischen Charakters, durch welche in diesem Falle Deutsch- 
land, dessen Vertreter so grausam in Peking ermordet wurde, geleitet 
werden könnte, für dasselbe auch als Grund des Bestrebens, an der Spitze 
der internationalen, gegen die chinesischen Rebellen operierenden Kräfte zu 
stehen, dienen könnten. Bei alledem darf man nicht übersehen, daß, indem 
der Kaiser sein Einverständnis damit ausspricht, die russische Truppen- 
abteilung dem Oberbefehl eines deutschen Feldmarschalls unterzuordnen, er 
keineswegs gesonnen ist, von dem politischen Programm zurückzutreten, 
nach dessen Grundprinzipien ein vollkommenes Einvernehmen mit Frankreich, 
sowie auch mit den anderen Mächten zu stande kam. 
1. September. Der „Regierungsbote“ bringt folgende Mit- 
teilung über einen russischen Vorschlag, Peking zu räumen, den sie 
am 25. August den Mächten unterbreitet hat: 
Europäischer Geschichtskalender. Bd. XLI. 18 
  
 
	        
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