Mebersicht der politischen Gutwickelung des Jahres 1900. 345
klerikalen Behauptungen zufolge hatte man freilich in der Kurie
auf mehrere Millionen gerechnet.
In Belgien ist die bisherige klerikale Mehrheit der Kammer Belgien.
durch die Wahlen nach dem neuen Wahlgesetz (vgl. 1899) auf ein
Viertel ihres alten Bestandes reduziert worden (von 72 auf 18),
aber da die klerikale Partei einig ist, während die Gegner in Libe-
rale mehrerer Schattierungen und Sozialdemokraten zerfallen, so
ist die Herrschaft der katholischen Partei nicht erschüttert. Die
Agitation auf die Abänderung des Wahlrechts hat nicht aufgehört,
die Sozialisten insbesondere verlangen die Einführung des all-
gemeinen Stimmrechts ohne Beschränkung und ohne Privilegien,
wie sie jetzt noch existieren. An Stoff zu Angriffen auf das kleri-
kale Parteiregiment fehlt es nicht. So liegt das Volksschulwesen
im argen; von 22000 schulpflichtigen Kindern in Brüsfel besuchen
3000 die Schule nicht, und die Zahl der Analphabeten bei den
Rekrutenaushebungen beträgt mehrere Tausend. Scharf kritifiert
wird ferner die beständige Zunahme des Kirchenvermögens, das
800 Millionen Gulden beträgt, während gleichzeitig die Armut in
den unteren Volksklassen fortschreitet. — Das Attentat des An-
archisten Sipido auf den Prinzen von Wales führte zu diploma-
tischen Auseinandersetzungen mit England und ließ die Sorgsamkeit
der belgischen Behörden nicht im besten Lichte erscheinen. Auch
der Kongostaat erregte die Aufmerksamkeit des In= und Auslandes:
es wurden Nachrichten über ungeheure Grausamkeiten von Beamten
und Händlern gegen Eingeborene verbreitet und mehrere von den
übelthätern mußten zur Rechenschaft gezogen werden.
Die Niederlande haben im letzten Jahre nach langen Nieder-
parlamentarischen Kämpfen ein neues Voklksschulgesetz mit dem laude.
Schulzwang erhalten, das gegen den Widerstand der kirchlichen
Rechten durchgesetzt wurde. Ein Versuch dieser Parteien, die obli-
gatorische Zivilehe zu beseitigen, wurde vereitelt. Im übrigen
haben, abgesehen von einigen Streiks, innere Angelegenheiten die
Bevölkerung wenig beschäftigt; die Hauptteilnahme war auf den
südafrikanischen Krieg gerichtet. Freilich konnte die Regierung nicht
mehr thun, als Krüger Gastfreundschaft gewähren. Die englischen
Sympathien der portugiesischen Regierung in Lourenco Marques