Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 14./16.) 11
haben erst den polnischen Mittelstand begründet. Die ganze Haltung der
Polen zeigt eine Absonderung von den Deutschen, selbst in den unschul-
digsten Fragen der kulturellen Entwickelung. Die Deutschen haben sich
leider zu lange alles gefallen lassen, nach recht deutscher Art. Die Offen-
sive haben Sie begonnen und es hat lange gedauert, bis die Deutschen sich
vereinigt haben. Sie haben von Stipendien gesprochen, welche den Deut-
schen gegeben werden, um ihnen den Aufenthalt angenehm zu machen; Sie
haben aber doch viele Tausende von Stipendien. Sie werden mich nicht
zur Umkehr bringen. Ich lege auf die Stärkung des Deutschtums und in
positiven Maßnahmen das Gewicht nicht auf die Negative und kleinliche
Polizeimaßregeln. Daß die Polen nie anerkennen, daß auch sie eine Schuld
trifft an der gegenwärtigen Lage, ist bedauerlich. Die Leidenschaft in der
Presse kommt jetzt allmählich auch auf die Tribüne. Was wollen die
Polen mit ihrer Politik erreichen? Glauben Sie, daß es gelingen wird,
die schon halbdeutschen Gegenden, wenige Tagemärsche von Berlin, je
wieder dem preußischen Staate zu entreißen? Wenn Sie Großpolen wieder-
herstellen wollen, wenn Sie zwischen Polen und Deutschen eine scharfe
Linie ziehen, dann schaden Sie sich selbst. Wir können Polen in der Ver-
waltung der Provinz Posen nicht gebrauchen, da das zu Reibungen unter
den Beamten führt; wir würden uns aber freuen, wenn sich die Polen zu
Verwaltungsstellen in den anderen Provinzen meldeten. Das Gleiche gilt
von den Offizieren. Die Polen haben sich gegen früher — ich verweise
auf den polnischen Landtag — sehr zu ihrem Vorteil gebessert, um so be-
dauerlicher ist es, daß Sie sich nicht mit uns verständigen. Wir geben
aber den Glauben nicht auf, daß schließlich den Polen doch die Ueber-
zeugung kommt, daß es sich unter der Herrschaft der Hohenzollern gut
leben läßt. (Beifall rechts.) Die Polen sollen sich klar machen, daß keine
kommende Regierung die Polenpolitik mehr ändern kann.
Kultusminister Studt: Der polnische Abgeordnete hat heute mit
seinen Angriffen gegen die Unterrichtsverwaltung mir und meiner Behörde
ein schweres Unrecht gethan. In den unteren Stufen der Elementarschule
soll der Religionsunterricht so lange in der polnischen Sprache erteilt wer-
den, wie dies zur Ermöglichung des Verständnisses notwendig erscheint.
In der Stadt Posen ist nun in den bisherigen Verhältnissen eine Aende-
rung eingetreten. Es sind eine Reihe von Landgemeinden in die Stadt
einverleibt worden und für diese mußten vertraglich die Bestimmungen
eingeführt werden, die bis dahin für die Stadt Posen schon galten. Dies
war unbedenklich. Der Religionsunterricht wird in jenen Schulen nun-
mehr in den oberen und mittleren Stufen in deutscher Sprache erteilt, in
den untersten Stufen bleibt es bei der alten Bestimmung. Es handelt
sich hier also nicht um eine allgemeine Maßnahme für die Provinz. Um
so bedauerlicher ist es, daß dies in den Volksversammlungen, an denen
leider auch Geistliche beteiligt waren, behauptet worden ist. Es haben dann
auch noch an anderen Orten Verhandlungen stattgefunden, es handelte sich
aber immer nur um die Frage, ob die Kinder soweit vorgeschritten waren,
daß sie des Unterrichts in der polnischen Sprache entraten könnten. Es
handelt sich auch hierbei nur um spezielle Fälle. Wenn Lehrer sich nicht
an die bestehenden Vorschriften halten, und dies zur Kenntnis der Be-
hörden kommt, wird Remedur eintreten. Der Herr Erzbischof von Posen
ist bei jener Maßnahme in Posen nicht befragt worden, weil es sich um
keine Durchbrechung der bestehenden Vorschriften handelte. Es ist nicht
wahr, daß der Herr Erzbischof eine Beschwerde wegen jener Maßregel er-
hoben hätte. Er hat mir nur mitgeteilt, daß er aus den Zeitungen er-
fahren habe, daß ich eine Verfügung erlassen habe, er bäte um den Wort-