Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Siebzehnter Jahrgang. 1901. (42)

184 HNie Jerreichischungerische Monarchie. (Februar 28.—März 2.) 
Februar. (Ungarn.) Katholische Agitation an den Uni- 
versitäten. 
Die klerikale Partei versucht, in den Hörsälen der Universität Kreuze 
anzubringen, die die Regierung wieder entfernen läßt. Es kommt darüber 
zu Zusammenstößen zwischen den katholischen und nichtkatholischen Kor- 
porationen. Kultusminister Wlassics sagt über die Angelegenheit (23. Febr.): 
Die Anbringung von Kreuzen in den Unterrichtssälen verfolge den geheimen 
Zweck, den katholischen Charakter der Universität zum Ausdruck zu bringen, 
während der staatliche Charakter der Universität von allen seinen Vor- 
gängern gegenüber dem Einspruch der Bischöfe auf das entschiedenste ver- 
fochten und aufrecht erhalten worden sei. Die Anbringung des Kreuzes 
im Hörsal habe mit der Ehrfurcht vor dem Kreuze, die alle bekennen, ab- 
solut nichts zu thun. Man habe versucht, das heilige Symbol zu partei- 
politischen Zwecken auszunützen. — Im März finden neue Tumutlte in der 
Universität statt, so dab die Vorlesungen unterbrochen werden müssen. 
W8. Februar. (Cisleithanien.) Antiösterreichische Kund- 
gebungen im Abgeordnetenhause. 
Abg. Sileny (Tscheche) polemisiert gegen die Deutschböhmen: „Heute 
schon schielen viele in dem geschlossenen, an Deutschland grenzenden deutschen 
Sprachgebiete über die Grenze.“. Stein: „Wir schielen nicht, wir schauen!“ 
Sileny: „Sie schielen mit politischen Hintergedanken nach Deutschland!“ 
Stein: „Sie wollen nach Rußland und wir nach Deutschland.“ Sileny: 
„Auch von drüben kommen Entgegnungen. Bei der Enthüllung des Denk- 
mals Karls des Vierten ließ es sich der deutsche Kaiser nicht nehmen, eine 
Rede zu halten, worin er sagte, die Deutschen hofften, ein großes nordisches 
Reich an der Elbe zu errichten.“ Stein: „Er hat recht!“ Hovorka: „Sagen 
Sie es lauter, daß Sie preußisch werden wollen.“ Stein: „Ich sage es 
laut, wir wollen zum Deutschen Reich!“ Sileny: „Ein Echo der Kaiser- 
rede hörten wir vorigen Sonnabend in diesem Hause von dem Alldeutschen 
Dr. Eisenkolb, der ausrief: „Die Stimme von drüben wurde gut verstanden, 
besonders die Parole für die deutschen Soldaten: Pardon wird nicht ge- 
geben!“ Stein: „Es soll auch bei uns heißen: Pardon wird den Tschechen 
nicht gegeben!“ (Lebhafte Heiterkeit und Rufe bei den Tschechen: Das 
werden wir sehen.) Stein: „Sie wollen nach Rußland!“ Sileny: „Ich 
antworte, wir wollen gute Oesterreicher bleiben.“ Stein: „O ja, seien Sie 
doch ehrlich! Patrioten sind Sie ja auch nicht. Heute ist jeder dumm, 
der in Oesterreich Patriot ist.“ 
Ende Februar. (Cisleithanien.) Ministerpräsident v. Körber 
löst das (ganz polnische) galizische Departement im Ministerium 
des Innern auf und verteilt seine Aufgaben unter die Abteilungen 
des Ministeriums. Hierdurch soll die galizische Verwaltung vom 
parlamentarischen Einflusse befreit werden. 
2. März. (Cisleithanien.) Der Ministerpräfident erklärt 
im Herrenhause über die Bekämpfung der Obstruktion: 
Es ständen nur zwei Wege offen: auf die Widerstrebenden entweder 
durch Konzessionen einzuwirken oder mit Gewalt einzugreifen. Die erste 
Methode verwerfe das Haus und ebenso auch die Regierung, welche zu den 
Schwierigkeiten des Augenblicks durch eine solche Vorgangsweise nicht neue 
Schwierigkeiten hinzufügen wolle. Was den Weg der Gewalt betreffe,
	        
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