Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Siebzehnter Jahrgang. 1901. (42)

Gr#britamien. (März 8.) 213 
dem früheren Kriegsminister Lord Landsdowne statt. Lord Wol- 
seley bezeichnet die Befugnisse des Höchstkommandierenden als zu 
gering, Lord Landsdowne behauptet, Wolseley habe seine Befug- 
nisse nicht genügend gekannt. 
8. März. (Unterhaus.) Der Kriegsminister Lord Brodrick 
legt einen Entwurf zur Neuorganisation der Armee vor. 
Durch die Errichtung von acht Garnisonsbataillonen, durch Ver- 
wendung von fünf indischen Bataillonen, ferner dadurch, daß die Besatzungen 
kleinerer Kohlenstationen künftig von der Flotte gestellt werden sollen, die 
bisherigen Besatzungen somit verfügbar werden, ergibt sich eine Verstärkung 
der regulären Truppen um 18 Bataillone. Die Miliz soll von 100000 
Mann auf 150000 erhöht werden, die Meomanry auf 35,000, die Volunteers 
auf 250000. Dies ergäbe 25 Bataillone, 15 Batterien Feldartillerie, 
10 Batterien schwere Feldartillerie, die speziell für die um London stehenden 
Armeekorps und die zugehörigen strategischen Positionen auszubilden sind. 
Die Gesamtzahl der neuen Truppen beträgt 126 500 mit einem Kosten- 
erfordernis von 2 Millionen Pfund. Die Feldarmee wird 260 000, die 
Garnisonen im Inlande 196000, die zur Verteidigung Londons bestimmten 
Volunteers 100000, Stäbe 4000, die Rekruten u. s. w. werden 120000 
Mann zählen, insgesamt 680 000 Mann. Brodrick führt aus, der Krieg 
zeige, daß England drei Armeekorps aussenden können müsse. Eng- 
land müsse daher eine leistungsfähigere Organisation der Landesverteidigung 
haben und die Ausbildung der Armee reformieren. Was die Frage der 
Konskription anlange, so empfinde es die Regierung als ihre Obliegenheit, 
erst alle anderen Mittel zu erschöpfen, bevor sie nach dieser Richtung hin 
mit irgend einem Vorschlag hervortrete. Obwohl er sich voll bewußt sei, 
welche Schwierigkeiten einem System nationaler Verteidigung innewohnen, 
das eines Vorteils entbehre, den fast jede andere Nation besitze, so sei er 
doch der Meinung, daß kein Schritt in dieser Beziehung unternommen 
werden dürfe, welcher der seitherigen Politik Englands entgegengesetzt sei, 
wofern derselbe nicht unterstützt werde von der überwiegenden Mehrheit 
des englischen Volkes. Brodrick betont sodann, daß England noch in zwei 
anderen Erdteilen außer in Afrika Interessen habe. Niemand könne sagen, 
daß England unter irgend welchen Umständen sich von europäischen Ver- 
wickelungen frei halten könnte. Die Gefahr einer Invasion sei allerdings 
nur eine Möglichkeit, aber man könne das Reich nicht einer solchen aus- 
setzen. Ebenso müsse man bereit sein, drei Armeekorps mit einer Kavallerie- 
division ins Ausland zu senden, um zugleich eine genügende Truppenmacht 
in der Heimat zu behalten. Er schlage deshalb vor, das ganze Land in 
6 Armeekorpsbezirke einzuteilen. Die ersten drei derselben sollten gänzlich 
aus regulären Truppen zusammengesetzt und in Aldershot, der Ebene von 
Salisbury und in Irland stationiert werden. Die übrigen drei, zu welchen 
auch 16 Bataillone der Miliz und Freiwilligen gehören sollen, würden in 
Vork, Colchester und Edinburg ihren Stand haben. Kriegsminister Brodrick 
fährt fort, jedes Armeekorps werde einem Kommandeur unterstellt sein, 
der es in Kriegszeiten zu führen habe. Das Ziel der Regierung sei, die 
Verantwortlichkeiten zu centralisieren und die Verwaltung zu decentralisieren. 
Die Miliz solle gestärkt und die Yeomanry bedeutend vermehrt werden. 
Er habe die Hoffnung, daß die Kolonien berittene Kontingente unter der 
Bezeichnung „Reichs-Yeomanry“ unterhalten werden, die, wenn nötig, sich 
der britischen YDeomanry anschließen würden. In der Ausbildung der 
Truppen seien Mängel Issendan geworden; in Zukunft soll weniger Kasernen-
	        
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