Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Siebzehnter Jahrgang. 1901. (42)

16         Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 17.) 
hinaus echt königliche Aufgaben zu erfüllen. Die Siege Friedrichs des 
Großen, zu denen ihm sein längst nicht mehr verkannter Vorgänger Mittel 
und Werkzeuge geschaffen hatte, ließen schon den nationalen Beruf des 
jungen Königreichs außerhalb seiner Grenzen vor dem weiteren Vaterlande 
verheißungsvoll aufleuchten. An diesen Großthaten Preußens erwarben 
die Deutschen die Gefühle einer deutschen Volksgemeinschaft und die Hoff- 
nung auf die Erfolglosigkeit aller fremdländischen Bevormundungsversuche. 
Ja, in den besten Geistern der Nation lebte bald die Zuversicht, daß aus 
der Machtentfaltung des preußischen Königtums dem deutschen Volke der 
Segen einer gesamtstaatlichen Einigung nach langer Zerrissenheit erblühen 
werde. Zu der schweren Zeit der napoleonischen Eroberungen war die 
Seele Deutschlands in Preußen. Das so tief gedemütigte Königreich 
entwickelte für die nationale Sache ungeahnte Kräfte als opferfreudiger 
Vorkämpfer gegen die Fremdherrschaft. Seine schwer errungene Großmacht- 
stellung hat dann Preußen unter der weisen und ruhmreichen Regierung 
Wilhelms des Großen den deutschen Gesamtinteressen untergeordnet und 
am Ende einer ehrenvoll durchlaufenen Bahn seiner selbständigen Politik 
sich dabei beschieden, fernerhin nur ein Bundesstaat zu sein innerhalb des 
neuen Reiches, der seinen Pflichten gegen die Mitverbündeten in unver- 
brüchlicher Treue erfüllt. Besonders ist die preußische Tüchtigkeit, die das 
Vaterland niemals wird entbehren können, aufs engste verwachsen mit 
unsern monarchischen Einrichtungen. Möge Preußens Königtum auch in 
seinem dritten Jahrhundert, dessen Schwelle es morgen überschreitet, der 
Hort des Reiches bleiben und der stärkste Träger der deutschen Größe und 
Weltmacht.“ 
              17. Januar. Depeschenwechsel des Kaisers mit der Königin 
der Niederlande anläßlich der Jubiläumsfeier. 
            Der Kaiser telegraphiert: 
            Das Fest, welches durch Gottes Gnade Meinem Hause und Mir zu 
feiern vergönnt ist, lenkt nächst zum Schöpfer Meinen Blick nach den Nieder- 
landen. Dem großen Oraniengeschlechte verdanken wir die Tugenden, 
welche den Großen Kurfürsten schmückten, verdanken wir die herrliche 
Fürstin, welche Preußen seinen ersten König schenkte. Zum Gedächtnisse 
dessen und daß die Niederländer unsere ersten Matrosen und ein Nieder- 
länder unser erster Admiral war, habe Ich als Präsentiermarsch Meiner 
Marine den alten „Ehrenmarsch“ der niederländischen Flotte verliehen. 
Möge Gott unsern beiden Häusern stets gnädig sein, wie einst in guten 
und bösen Tagen unsern Vorfahren. Meine Marine aber wird sich den 
Ausspruch des Admirals De Ruyter zu eigen machen: „Es ist mir lieber, 
daß ich nicht gelobt werde, von niemand, daß ich aber nach meinem Ge- 
wissen frei handeln und meine Befehle so ausführen kann, wie ich soll.“ 
Wilhelm. 
             Die Königin der Niederlande antwortet: 
             Gravenhag, 17. Jan. Sr. Majestät dem Deutschen Kaiser in Berlin, 
Schloß. Ich danke Dir von ganzem Herzen für Dein mich sehr beglückendes 
Telegramm und für die Gefühle, die Dich, an dem morgigen denkwürdigen 
Tage auch Meines Landes, Meiner Vorfahren und unsres großen De 
Ruyters gedenken lassen. Deine Wertschätzung und Anerkennung für den 
längst Dahingeschiedenen rührt mich tief. Ich bin hocherfreut über die 
Verleihung unseres alten Ehrenmarsches als Präsentiermarsch an Deine 
Marine. Du weißt, welch innigen Anteil ich an dem heutigen bedeutungs- 
vollen Feste nehme. Ich wiederhole Dir die allerherzlichsten freundschaft- 
lichsten Glückwünsche. Wilhelmine.
	        
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