Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Siebzehnter Jahrgang. 1901. (42)

Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 18.) 17 
           18. Januar. (Preußen.) Der Jahrestag des 200jährigen 
Bestehens des preußischen Königtums wird unter Teilnahme zahl- 
reicher fremder Fürstlichkeiten begangen. 
               Der Kaiser erläßt folgende Verfügung an die Armee: 
                                                    An Meine Armee! 
              Ich gedenke heute, bei der Feier des 200. Jahrestages der Annahme 
der preußischen Königswürde vor allem Meiner Armee. König und Armee 
gehören in Preußen unzertrennlich zusammen. Dieser enge persönliche 
Zusammenhang zwischen Mir und jedem einzelnen Meiner Offiziere und 
Soldaten beruht auf 200 Jahre alter Tradition. Der Geist, welcher von 
Friedrich lI. an, von allen Königen in der Armee gepflegt wurde, der Geist 
der Ehre, Pflichttreue, des Gehorsams, der Tapferkeit, der Ritterlichkeit — 
er hat die Armee zu dem gemacht, was sie sein soll und was sie ist: die 
scharfe, zuverlässige Waffe in der Hand ihrer Könige, zum Schutz und 
Segen für die Größe des Vaterlandes. An der Spitze der Armee dem 
Vaterlande zu dienen, das ist Mein Wille, das war der vornehmste Wunsch 
aller Meiner in Gott ruhenden Vorfahren. Ihrer Fürsorge verdankt die 
Armee ihre Kraft und ihr Ansehen. Sie hat durch zwei Jahrhunderte 
des großen Königs Ausspruch wahr gemacht: „Die Welt ruht nicht sicherer 
auf der Schulter des Atlas als der preußische Staat auf den Schultern 
der Armee!“ Mit ihrem Blute hat sie die Liebe und Dankbarkeit für 
ihre Könige besiegelt! Hiefür danke ich der Armee aus bewegtem Herzen. 
Ich danke ihr für die Hingabe, welche sie für Mich und Mein Haus im 
Dienste des Vaterlandes ohne Ruhe und Rast, jahraus, jahrein, selbstlos 
bethätigt. Solange dieser Geist die Armee mit ihren Königen verbindet, 
solange brauchen wir keine Stürme zu scheuen und Preußens Adler wird 
stolz seinen hohen Flug fortsetzen zum Wohle Preußens und zum Wohle 
Deutschlands! Das walte Gott! 
               Berlin, den 18. Januar 1901.  
                                                                                                                            Wilhelm. 
              An den Reichskanzler, für das Reichsmarineamt, richtet der 
Kaiser folgenden Erlaß: 
             Der heutige Gedenktag lenkt Meinen Blick rückwärts in die Zeit 
des Kurfürstentums Brandenburg. Die stolze Flotte, welche der Große 
Kurfürst erstehen ließ, hat unter dem roten Adler ihre vielseitigen Aufgaben 
zum Ruhme des engeren Vaterlandes mit Erfolg und Geschick gelöst. Unter 
Preußens Königen ist sie neu erstanden. Der 200 jährige Gedenktag, vor 
dessen Feier wir stehen, findet sie in lebenskräftiger Gestaltung im neuen 
Deutschen Reiche wieder. Bei den immer wachsenden Aufgaben, vor denen 
Meine noch in der Entwickelung begriffene Flotte steht, bedarf sie einer 
nie rastenden, zielbewußten Arbeit, um zu einem so starken Werkzeuge für 
das Deutsche Reich zu werden, wie es Meine Vorfahren auf dem preußischen 
Königsthrone in der Armee besaßen. Die wichtigste Bedingung hiefür ist 
schon erfüllt, der Geist des Schöpfers jener alten Flotte, der Geist des 
Großen Kurfürsten hat sich vererbt auf die neue Schöpfung, ist in ihr 
lebendig. So fühle Ich Mich am heutigen Gedenktage des Königreichs 
Preußen auch mit Meiner Marine aufs neue verbunden und es gereicht 
Mir zur Freude, ihr als sichtbaren Ausdruck dessen eine besondere Aus- 
zeichnung zuteil werden zu lassen, indem ich bestimme, daß auf der Koppel 
und dem Schärpenschlosse in Meiner Marine Mein Namenszug getragen 
wird. Ich beauftrage Sie, Vorstehendes zur Kenntnis der Marine zu 
bringen. 
Europäischer Geschichtskalender. XLII.                                            2
	        
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