IStalien. (März 30.—Mai 17.) 245
30. März. (Kammer.) Auf die Anfrage eines Abgeord-
neten erklärt Minister des Auswärtigen Prinetti, das von der
Presse erwähnte Gerücht von einem französisch-italienischen Ab-
kommen über die eventuelle Teilung des Vilajets Tripolis entbehre
jeder Begründung.
2. April. (Verona.) Zusammenkunft zwischen dem Mi-
nisterpräsidenten Zanardelli und dem deutschen Reichskanzler.
Anfang April. Verhältnis zu Frankreich.
Die Presse bespricht die Touloner Feste (S. 230) und konstatiert
zunächst, daß die Beziehungen zu Frankreich viel von ihrer alten Schärfe
verloren hätten, aber darüber hinaus dürfe man nichts erwarten. Gleich-
zeitig wird die nordafrikanische Politik Frankreichs mißtrauisch betrachtet
und die Regierung ermahnt, dem Vorgehen Frankreichs in den Grenz-
gebieten von Tripolis mit größter Aufmerksamkeit und äußerstem Miß-
trauen zu folgen.
Ende April. (Genua.) Ausstand der Hafenarbeiter.
Ende April. (Mantua.) Ausstand ländlicher Arbeiter.
9. Mai. Stiftung eines Arbeiterordens.
Der König unterzeichnet ein Dekret zur Begründung einer Arbeiter-
Ordensdekoration, welche den Titel „Cavaliere“ verleiht. Die Dekoration
ist ein goldenes grün-emailliertes Kreuz, das an grün-rot-grünem Bande
getragen wird. Das Kreuz trägt die Inschrift „Al merito del Lavoro“.
Es können jährlich nur 80 Verleihungen stattfinden.
17. Mai. (Florenz.) Luzzatti über die künftige Handelspolitik.
Der Abg. Luzzatti, der Hauptvertreter Italiens beim Abschlusse der
in den letzten 30 Jahren abgeschlossenen Handelsverträge, hält bei der Er-
öffnung des Kongresses der italienischen Landwirte eine Rede über die be-
vorstehenden neuen Handelsverträge: Italien müsse im Interesse des Schutzes
der landwirtschaftlichen Produktion und der Ausfuhr bereit sein, die be-
stehenden Handelsverträge mit einzelnen Abänderungen zu erneuern, oder,
wenn andere Staaten zu Zollverschärfungen gegenüber Italien schritten,
vor demselben Mittel nicht zurückschrecken. Die allgemeine Lage sei einem
glatten Zustandekommen der Handelsverträge nicht günstig; die österreichischen
Agrarier verlangten einen erhöhten Weinzoll und Deutschland eine hohe
Bezollung der bisher zollfreien Bodenprodukte. Gleichwohl werde es sich
mit Deutschland leichter einigen lassen als mit dem demokratisch-agrarischen
Frankreich; das bringe die Zunahme der deutschen Ausfuhr und das
Wachsen der deutschen Arbeiterbevölkerung mit sich, die billiger Nahrungs-
mittel bedürfe. Aus der Ernennung des Handelsministers Möller und
aus Privatnachrichten könne man schließen, daß Deutschland nicht mit einem
Doppeltarif kommen werde wie Frankreich, der weitere Zollverhandlungen
mit Italien unmöglich machen werde. Aber selbst wenn Deutschland die
Vertragszölle erhöhe und dadurch Italien zu der gleichen Maßnahme
zwinge, hoffe er doch auf eine Verständigung auf Grundlage des gegen-
wärtigen Vertrages. Uebrigens sei Italien nicht wehrlos. Von seiner
gesamten Ausfuhr, 137 Millionen, könne über die Hälfte, nämlich die
Seidenausfuhr, nicht wesentlich belastet werden. Dagegen könne die deutsche
Einfuhr, 193 Millionen, durch italienische Zölle hart betroffen werden.