274 Rußland. (Februar Mitte. 18.)
dieser friedlichen und wechselseitig nützlichen Beziehungen ist nur bei beider-
seitigem gutem Willen möglich, und wenn eine Partei dieses wechselseitige
Interesse aus dem Auge verliert, und nur ihre eigenen Interessen verfolgt,
und ihrem Gegner nur Nachteile entgegenbringt, so kann sie nur mit einem
hilflosen und von ihr irgendwie abhängigen Staate einen Vertrag schließen,
keineswegs aber mit Rußland, welches zwar selbst aus dem Handel Vorteil
und Nutzen zieht, aber auch anderen bei sich einen reichen und vorteil-
haften Markt überläßt. Wenn aber der Warenabsatz Rußlands durch je-
manden beschränkt wird, so ist es ganz natürlich, daß auch Rußland zu
gleichen Maßregeln greifen wird. Wenn sich Deutschland von den Handels-
beziehungen mit uns lossagen würde, würden wir alles von ihm bei uns
Eingeführte bei seinen Konkurrenten finden, bei denen wir unser Getreide
absetzen. Ein Handelsvertrag bestimmt außerdem nicht nur die Bedingungen
des Warenaustausches, sondern auch die sozialen Beziehungen zweier Völker.
Die Angehörigen eines vertragschließenden Staates, die beständig oder zeit-
weilig in dem Gebiete des anderen Staates wohnen, genießen außerdem
auch Gleichberechtigung mit den Angehörigen des Staates, wo sie Handel
und Industrie treiben, und tragen auch keine schwereren Lasten. Sie ge-
nießen dieselben Rechte in allen Lebensverhältnissen, sowie auch die Vor-
teile, welcher die Staatsangehörigen der meistbegünstigten Staaten teilhaftig
werden. Rußland hat selbst nicht so viele Vorteile, da russische Staats-
angehörige nur sehr selten im Auslande Handel und Industrie treiben.
Ausländer aber kommen nach Rußland in außerordentlich großer Zahl.
Mitte Februar. (Odessa.) Eine von der Regierung sub-
ventionierte Handelsgesellschaft schickt einen Dampfer nach dem per-
sischen Golf, um das dortige faktische, englische Handelsmonopol
zu brechen. Es soll ein regelmäßiger Dampferverkehr eingerichtet
werden.
18. Februar. Die offiziöse „Handels= und Industriezeitung"
schreibt über das Verhältnis zu den Vereinigten Staaten in der
Zuckerzollfrage (vgl. Nordamerika):
Die internationalen Beziehungen Rußlands mit den Vereinigten
Staaten haben sich seit jeher so freundschaftlich gestaltet, daß sie in den
letzten Jahren eine immer größere Stütze in einem stets sich entwickelnden,
wechselseitigen, vorteilhaften Warenaustausch fanden. Wenn in diesen freund-
schaftlichen Beziehungen in den letzten Tagen eine Dissonanz bemerkt wurde,
so kann man dies als eine Uebergangserscheinung betrachten. Daher trugen
die Umstände, welche dieselbe hervorgerufen haben, eine Schattierung des
Widerstrebens gegen die zu ergreifenden Maßregeln, welches selbst die Re-
gierungspersonen nicht verheimlichen, die dieselben anzuwenden genötigt
sind. Der russische Zucker war mit einem Kompensationszoll auf unregel-
mäßiger Grundlage belegt, als wenn er eine verheimlichte Prämie erhalten
würde. Indem Staatssekretär Gage gegen seinen Willen sich für diese
Maßregel entschloß, versprach er alles anzuwenden, um möglichst bald eine
Entscheidung in dieser Frage durch das Obergericht der Vereinigten Staaten
zu erzielen. In gleichem Maße hatte auch der russische Finanzminister sich
nur mit äußerstem Widerwillen nach erfolgtem Einvernehmen mit dem
Minister des Aeußern zu einer ähnlichen Anwendung eines erhöhten Zoll-
tarifs auf einige Provenienzen aus den Vereinigten Staaten genötigt ge-
sehen. Alles dies und die unbestreitbare Thatsache, daß Rußland keine