280 Rußland. (Juli 6.—Mitte.)
6. Juli. Der „Regierungsbote“ schreibt über die Reorgani-
sation des Unterrichts:
Die Kommission für Reorganisation der Mittelschulen beendigte ihre
Arbeiten. Nach dem ausgearbeiteten Plane soll die Reorganisation der
Knabenmittelschulen im Jahre 1905 ausgeführt werden. Die Mittelschule
soll den allgemeinen Typus mit siebenjährigem Kursus haben. Die
griechische Sprache wird ausgeschlossen, die lateinische nur in den vier
oberen Klassen gelehrt, dafür wird aber Unterricht in Naturwissenschaften,
zwei modernen Sprachen und Vaterlandskunde eingeführt und der in der
russischen und allgemeinen Litteratur und Mathematik verstärkt. Aus-
nahmen von dem allgemeinen Typus sind zugelassen bei Schulen, die nicht
ausschließlich auf Staatskosten unterhalten werden. Der Kaiser prüfte
diesen Plan und erkannte die Notwendigkeit einer besonderen Rücksicht-
nahme auf die Erziehung der Schüler, Schuldisziplin und ferner einer
größeren Ausdehnung des Turnunterrichts in militärischen und Leibes-
übungen, Einführung von Spielen, Ausflügen, Spaziergängen und mög-
lichst Handarbeit an. Der Kaiser billigte, daß in den fünf Städten St.
Petersburg, Moskau, Kiew, Warschau und Dorpat je ein klassisches Gym-
nasium bleibe. Dieser Bericht der Kommission wird zur Begutachtung den
Kuratoren und pädagogischen Räten einiger Mittelschulen und zur end-
gültigen Entscheidung dem Oberprokurator des heiligen Synod, dem
St. Petersburger Metropoliten und jenen Ministern unterbreitet, in deren
Ressort die betreffenden Schulen sich befinden. Die Beschlüsse dieser Per-
sonen und Behörden werden im Laufe der nächsten Wintermonate vom
Unterrichtsministerium legislativ durchgeführt werden. Mit einigen dieser
Reformen soll im künftigen akademischen Jahre zunächst in den Klassen
der jüngeren Schüler begonnen werden. Der Kaiser schrieb auf den Be-
richt des Unterrichtsministers: Ich hoffe, daß auch ernste Rücksicht auf
Verstärkung der religiösen und moralischen Erziehung unserer Jugend ge-
nommen wird.
Juli. Nach Zeitungsberichten droht in folgendem Bereich
Mißernte und Futtermangel: in den Gouvernements Jekaterinoslaw,
Tschernigow, Charkow, Saratow, Samara, Tauris, im östlichen
Weichselgebiete, in den baltischen Provinzen, an der mittleren
Wolga, im Ural-Gebiete, in einigen Distrikten des nördlichen Ruß-
land, in den Gebieten des Don, Terek und Kuban.
Mitte Juli. Deutschfeindliche Artikel der russischen Presse.
Die „Moskauer Wjedomosti“ schreiben über das Vordringen der
Deutschen in Polen: „Ungefähr 600 000 Deutsche, darunter 82 Prozent
Preußen, leben in Russisch-Polen. In ihren Händen haben diese Eindring-
linge 13529 ländliche und städtische Besitzungen im Gesamtwerte von 400
Millionen Rubel. Sie haben die besten Güter, zahlreiche Fabriken,
Mühlen und Sägemühlen inne und dirigieren den Großhandel und zahl-
reiche Banken. Die Städte Lodz, Zgierz und Pabianice sind so gut wie
deutsche Städte. Die ehemalige Polnische Bank hat nicht weniger als
90 Millionen Rubel den Deutschen s. Z. zum Bau von Fabriken und
industriellen Anlagen vorgeschossen. Im Gouvernement Kalisch sind 42mal
mehr Deutsche als Russen angesiedelt, im Gouvernement Petrikau btmal
mehr Deutsche als Russen, und in allen 19 Gouvernements westlich vom
Dnieper zählt man doppelt so viel Deutsche als Russen. Ganz in der