Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Siebzehnter Jahrgang. 1901. (42)

Kaßiand. (Juli 19.—30.) 281 
Stille sind Millionen von Deutschen, die sich auf ihr mächtiges Vaterland 
stützen und mit ihm fest verbunden sind, bei uns eingedrungen. Die russische 
Bevölkerung stirbt vor Hunger, das Elend treibt sie übers Meer, ganze 
Massen gehen dem Russischen Reiche als Kriegs= wie als Arbeitsmacht 
verloren. Unterdessen machen sich die Deutschen bei uns breit, mästen sich 
hier und fühlen sich als Herren des Landes, springen auch schon der ein- 
geborenen Bevölkerung an den Hals und wollen sie in Arbeitsvieh ver- 
wandeln. Und was für eine politische Perspektive eröffnet sich uns, welche 
Gefahr für die Einheit des Russischen Reiches!“ 
Die „Rossija“ schreibt über die Bestrebungen in Deutschland, 
Ausländern den Besuch der Technischen Hochschulen zu erschweren 
(S. 106): 
Die russische Gesellschaft, Presse und auch Regierung können nicht 
teilnahmlose Zuschauer dieses wilden Vandalismus der Deutschen bleiben. 
Die Abschließung der deutschen höheren technischen Schulen für die russische 
Jugend, kann und darf uns Russen in keinem Falle gleichgültig sein. Sie 
fügt uns einen ungeheueren und wesentlichen Schaden zu. Mit einmal 
einiger Hundert gebildeter Techniker, Chemiker, Ingenieure beraubt zu 
werden, ist kein Scherz. Den Deutschen muß ernsthafter Widerstand ge- 
leistet werden, sonst werfen sie sans facon unsere Jugend aus ihren Schulen 
heraus und werden unter Ausnutzung unseres Mangels an technisch ge- 
bildeten Kräften zu uns den Ueberschuß ihrer Schulze, Lehmann und 
Müller importieren, und diese werden sich in dem innersten unseres Vater- 
landes festsetzen, sich behagliche Nester bauen und bei Gelegenheit ihren 
Nationalhelden, den Bismarck und den Bülow, Denkmäler setzen. 
19. Juli. (Finland.) Anderung der Wehrpflicht. 
Die Gesetzsammlung veröffentlicht das kaiserliche Manifest betr. die 
Einführung des neuen Statuts über die Wehrpflicht in Finland, nach 
welchem das finnische Garde-Scharsschützen-Bataillon und das finnische 
Dragoner-Regiment aufrecht erhalten bleiben, die anderen finnischen 
Schützen-Bataillone aber aufgelöst werden. Die erste Rekruteneinstellung 
nach dem neuen Statut findet 1903 statt. Für die Ernennung zum Offfzier 
oder Unteroffizier ist die Kenntnis der russischen Sprache Vorbedingung. 
— Das Gesetz stößt auf einmütigen Widerstand, die meisten Geistlichen 
weigern sich, es von den Kanzeln zu verlesen. 
20. Juli. Die Regierung veröffentlicht ein Gesetz über Ver- 
kauf und Verpachtung von Staatsboden in Sibiren zu landwirt- 
schaftlichen Zwecken. 
25. Juli. (Batum.) Durch eine Explosion werden zahl- 
reiche Menschen getötet. 
30. Juli. Verfügung über die ostsibirische Küste. 
Ein kaiserlicher Befehl verfügt die Schließung des gesamten Ufer- 
landes des Küstengebiets auf einhundert Werft landeinwärts von der korea- 
nischen Grenze an, sowie auch der Insel Sachalin und aller anderen um- 
liegenden Inseln für allen Gold= und Naphtha-Industriebetrieb. Dem 
General-Gouverneur des Küstengebiets ist das Recht eingeräumt, von sich 
aus oder in Fällen, wo dieses von ihm für nötig erachtet werden sollte, 
im Einverständnis mit dem Landwirtschaftsminister etwa eingehende einzelne 
Gesuche um die Gestattung des Montanbetriebs, der Gold= und Naphtha-