Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 26.) 21
26. Januar. (Preußisches Abgeordnetenhaus.) Land-
wirtschaftsetat. Debatte über Getreidezölle. Erklärung Bülows.
Abg. Graf Limburg-Stirum (kons.) stellt den Antrag:
Die königliche Staatsregierung aufzufordern, mit größter Entschieden-
heit darauf hinzuwirken, daß bei der bevorstehenden Neuordnung unserer
handelspolitischen Verhältnisse der Landwirtschaft ein wesentlich gesteigerter
Zollschutz zuteil werde, und in diesem Sinne dafür zu sorgen, daß baldigst
die Vorlage des in Vorbereitung begriffenen Zolltarifs an den Reichstag
erfolge.
Ministerpräsident Graf Bülow: Im Namen der königlichen Staats-
regierung habe ich in Bezug auf den zu Ihrer Beratung stehenden Antrag
des Herr Grafen v. Limburg-Stirum und Genossen die folgende Erklärung
abzugeben: In voller Anerkennung der schwierigen Verhältnisse, in welchen
sich die Landwirtschaft befindet, und von dem Wunsche beseelt, die Lage
derselben wirksam zu verbessern, ist die königliche Staatsregierung ent-
schlossen, auf die Gewährung eines ausreichenden und deshalb entsprechend
zu erhöhenden Zollschutzes für die landwirtschaftlichen Produkte hinzuwirken.
Die königliche Staatsregierung ist ferner bestrebt, die Vorlage des neuen
Zolltarifs in jeder Weise zu beschleunigen. (Beifall rechts.)
Abg. Sattler (nl.): Der Antrag sei überflüssig. — Nach heftiger
Debatte wird der Antrag mit 238 gegen 43 Stimmen angenommen.
26. Januar. (Bayern.) Bei der Feier von Kaisers Ge-
burtstag hält Prinz Ludwig folgende Rede über die Chinafrage:
Meine Herren! Sie wissen, daß mir die ehrenvolle Aufgabe obliegt,
das Hoch auf Se. königliche Hoheit den Prinzregenten auszubringen. Seine
Majestät der deutsche Kaiser vollendet morgen das 42. Lebensjahr. Es
sind diesmal üble Umstände, die seine Geburtstagsfeier begleiten. Seine
Majestät der Kaiser hatte kaum das denkwürdige 200. Jahr preußischen
Königtums gefeiert, als ihm die Kunde kam, daß seine Großmutter im
Sterben liege. Von den Festen eilte Se. Majestät sofort nach England,
um seine Großmutter noch am Leben zu treffen. Meine Herren! Sie wissen,
daß Se. Majestät jederzeit bestrebt ist, dem Deutschen Reiche den Frieden
zu bewahren. Nun könnte man glauben, daß der Feldzug gegen China
Krieg sei. Nein, meine Herren, das war kein Krieg, das war nur eine
Expedition, um Genugthuung zu fordern für die Beleidigungen, die die
ganze gesittete Welt und insbesondere Deutschland erfahren. Bewunderns-
wert war das Ausdauern der in Peking eingeschlossenen Personen; be-
wundernswert auch die ersten Kämpfe an der chinesischen Küste, beim ersten
Marsch auf Peking schon, dann auch die Einnahme von Tientsin und die
endliche Befreiung von Peking. Möge der wirkliche Frieden — in einen
sogenannten Frieden befindet sich ja die Welt — bald zustande kommen!
Möge es möglich sein, daß die Truppen bald wieder heimkehren. Mögen
aber durch diesen Krieg die Chinesen selber, dieses uralte Kulturvolk, das
durch lange, lange Mißregierung in die Barbarei zurückgefallen ist, dahin
kommen, wo ihr östlicher Nachbar, Japan, angelangt ist. Mögen sich die
Chinesen ebenso, wie es Japan in der letzten Zeit gethan hat, dem Christen-
tum zukehren. Man kann sagen, was man will: das Christentum und
das Gebot der Nächstenliebe, das keinen Unterschied zwischen weißen,
schwarzen, gelben, roten Menschen kennt, hat die Völker siegreich werden
lassen, während diejenigen Völker, die von diesen sittlichen Geboten ab-
wichen, vom Erdboden verschwunden oder zurückgegangen sind, ein warnen-
des Beispiel für alle Zeiten und Völker. Möge es mir noch gestattet sein,