Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Siebzehnter Jahrgang. 1901. (42)

34       Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Februar 8.) 
und Havel sympathisch gegenüber und wünsche, daß sie in einem besonderen 
Gesetze behandelt wären. Auch den Berlin-Stettiner Kanal halte er für 
notwendig, und zwar im Interesse von Stettin. Wenn man den Mittel- 
landkanal bewilligt, geht man damit zu einer Kanalpolitik über, wo es 
kein Halt mehr giebt, man schwimmt rettungslos weiter und für andere 
Bedürfnisse ist kein Geld mehr. Die so notwendige Schuldentilgung werde 
durch die Kanalprojekte verhindert. Er halte die Schuldentilgung für 
Preußen für sehr notwendig; man könne hier nicht auf andere Staaten 
verweisen, die noch weniger Schulden tilgten, da Preußen größere Betriebs- 
verwaltungen habe wie jene Staaten und so gezwungen sei, häufiger große 
Kapitalsanlagen zu machen. 
            7. Februar. Handelsminister Brefeld: Die Kohlenlager im Westen 
der preußischen Monarchie seien so mächtig, daß das Deutsche Reich die 
Welt mit Kohlen versorgen könne, wenn Belgien und Frankreich ihre 
Kohlenvorräte längst erschöpft hätten. Auf diesen Kohlengefilden entwickelte 
sich eine Eisenindustrie, welche ganz Deutschland mit ihren Erzeugnissen 
versorge. Diese Versorgung müsse erleichtert werden. Hier berührten sich 
auch die sonst verschiedenen Interessen der Landwirtschaft im Osten, die 
vor allem der Maschinen bedürfe, und der Industrie im Westen. Wir 
haben alle ein großes Interesse daran, hier eine Verständigung zu finden. 
Abg. Graf v. Strachwitz (Z.): Die Mehrzahl seiner Freunde mache ihre 
Zustimmung zu der Vorlage davon abhängig, daß an Stelle der Emscher- 
thallinie die Lippekanalisierung trete und daß die Forderungen für Schlesien 
erfüllt würden. 
             Hierauf wird die Vorlage an eine Kommission von 28 Mitgliedern 
verwiesen. Ein Antrag Wiemer, nur einzelne Teile an der Vorlage an 
die Kommission zu verweisen, wird gegen die Stimmen der freisinnigen 
Volkspartei abgelehnt. Der Kommission gehören folgende Abgeordnete an: 
Vorsitzender v. Eynern (nl.), Stellvertreter Letocha (Z.), Schriftführer 
v. Mahrenholz (kons.), Pappritz (kons.), Macco (nl.), Schwarze (Z.) und 
Wiemer (fr. Vp.). Weitere Mitglieder: Konservative v. Arnim, Beuchelt, 
Bockelberg, Graf v. Kanitz, Graf zu Limburg-Stirum, v. Neumann, Hanse- 
berg. Rabe v. Pappenheim, v. Quistorp; Freikonservative Gamp, Rewoldt, 
Stengel, Freiherr v. Zedlitz; Nationalliberale Reimnitz, Schmieding, Wall- 
brecht; Zentrumsangehörige Graw, Herold, Roeren, Graf v. Strachwitz, am 
Zehnhoff; von der Freisinnigen Vereinigung Gothein. 
              8. Februar. (Reichstagswahl.) Im Wahlkreise Aachen- 
Stadt wird Lehrer Sittart (Z.) mit 5133 Stimmen gegen Drechsler 
Eberle (Soz.) (1935 Stimmen) gewählt. 
              8. Februar. Der Reichstag verweist die Vorlage über die 
Schaumweinsteuer an eine Kommission. 
              8. Februar. (Preußen. Reichslande.) Ermäßigte Aus- 
nahmetarife für landwirtschaftliche Gegenstände. 
              Die preußischen Eisenbahndirektionen und die Gereraldirektion der 
elsaß-lothringischen Eisenbahnen werden ermächtigt, einen ermäßigten Aus- 
nahmetarif für Futtermittel und Streumittel mit Gültigkeit bis zum 1. Juli 
einzuführen für Versand nach den Provinzen Westpreußen, Posen, Pommern 
und Schlesien, ferner nach dem Regierungsbezirk Frankfurt a. Oder und 
nach verschiedenen Kreisen der Regierungsbezirke Potsdam, Magdeburg, 
Merseburg, Erfurt und Trier. Die Ausdehnung auf den Versand von 
Stationen der Main-Neckar-Bahn, der oldenburgischen Staatsbahnen und