62 Das Dentsqhe Reith und seine einzelnen Glieder. (März 15.)
Japan. Amerika beteiligt sich mit Eifer an der Behandlung der politischen
Fragen in China und legt namentlich das lebhafteste Interesse an den Ta
für die Erhaltung der chinesischen Integrität. Zwischen uns und Framrreich
bestehen, wie an vielen, den meisten Orten der Erde, auch in China keine
sachlichen Gegensätze. Was Japan angeht, erkennen wir gern die Groß-
machtstellung an, welche sich dieses hochbegabte Volk durch seine Waffen-
erfolge im letzten Kriege und seine Intelligenz errungen hat. Daß wir
von unseren beiden Verbündeten, von Oesterreich-Ungarn und Italien, in
loyalster Weise unterstützt sind, und daß sie Hand in Hand und Seite an
Seite mit uns gegangen sind, versteht sich von selbst bei dem völlig un-
erschütterten Bestande des Dreibundes. Unsere Aufgabe ist es, zwischen
den Ansprüchen der verschiedenen Mächte unsere Neutralität, unsere Selbst-
ständigkeit, unseren Frieden, also das große, dauernde Interesse des Reiches
zu wahren. Es kommt nun darauf an, in China baldmöglichst friedliche
Zustände wiederherzustellen, für die Sicherung des dortigen Besitzstandes
und die Wahrung unserer legitimen Handelsinteressen. Das ist aber nur
möglich durch die Einheit der Mächte. Es sind deshalb unsere Bemühungen
darauf gerichtet, in den weiteren Verhandlungen durch eine gerechte und
versöhnliche Haltung die vorhandenen Gegensätze zu mildern und ein ge-
meinsames Zusammenwirken zu den gemeinsamen Zielen zu erreichen:
Gerechte Sühne für die begangenen Verbrechen zu verlangen, eine an-
gemessene Entschädigung für den erlittenen Schaden und für die Verletzung
des Völkerrechts und für die dem Reiche durch aufgezwungene Expedition
erwachsenen Kosten durchzusetzen, dauernde Sicherheit und Ordnung in
China wiederherzustellen. Wir müssen auch für die ungestörte Thätigkeit
unserer Missionäre Sorge tragen. Diese Ziele haben ihren Ausdruck
gefunden in der gemeinsamen Note der Mächte; sie wird nach wie vor die
Richtschnur bilden, für deren Erreichung im Rahmen der von mir heute
geschilderten Politik ich die Unterstützung dieses hohen Hauses erbitte.
(Beifall rechts.)
Abg. Richter (fr. Vp.) bedauert, daß der Reichskanzler keinen
Termin für das Ende der Expedition angeben könne. Welche Bewandtnis
habe es mit dem russisch-chinesischen Vertrage über die Mandschurei? Es
sei im Interesse der Finanzen dringend zu wünschen, daß die Friedens-
verhandlungen vorwärts gingen; das Phantom der Weltmachtpolitik, das
Bismarck glücklicherweise ganz fern gelegen habe, lege uns in diesem Falle
unverhältnismäßige Opfer ohne entsprechende Vorteile auf. Abg. Bebel
(Soz.) kritisiert die Strafexpeditionen in Petschili, worauf die Abgg. Bachem
(Z.) und Bassermann (nl.) antworten. Reichskanzler Graf Bülow:
Die Strafexpeditionen sind das einzige Mittel, die Ruhe und Ordnung
wieder herzustellen, nachdem die chinesische Regierung sich als zu schwach
erwiesen hat. Die chinesische Regierung hatte sich den Boxerbanden gegen-
über als ohnmächtig gezeigt, und deshalb mußten sich unsere Truppen der
schwierigen und mühsamen, aber nützlichen Aufgabe unterziehen, das Land
von diesem Gesindel zu räumen. Der Abgeordnete Richter hat gemeint,
man wisse eigentlich von dem sog. Mandschurei-Abkommen recht wenig,
und er hat die Bitte an mich gerichtet, näheres darüber mitzuteilen. Ja,
wenn ich selbst etwas näheres darüber wüßte! (eiterroal Wir wissen
nichts näheres darüber, und auch andere Regierungen wissen nichts, die
an dem Vertrage noch mehr interessiert sind als wir. Es würde aber
auch den diplomatischen Gepflogenheiten nicht entsprechen, wenn ich in dieser
Frage der russischen Regierung gegenüber eine zu große Neugier und Un-
geduld an den Tag legen wollte. (Heiterkeit.) Soll ich aber, ohne irgend-
welche Pression auf die russische Regierung auszuüben, auf natürlichem