Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunzehnter Jahrgang. 1903. (44)

94 JNas Vesche Reich und seine einjelnen Glieder. (Mai 13. 14./19.) 
Grade war Ich erfreut, Seine Heiligkeit in so außerordentlich blühender 
Gesundheit angetroffen zu haben. Ich kann nur zu Gott beten, daß er 
Seine Heiligkeit noch recht lange erhalten möge zum Heile der ganzen 
Welt.““ Viele protestantische Blätter äußern sich kritisch über die Formen 
dieser Zusammenkunft, „die, wie die Berührung der päpstlichen Hände 
durch die kaiserliche Stirn, bedenklich an das Halten der pontifikalen Steig- 
bügel durch die römischen Kaiser erinnern“. („Tägl. Rundschau“.) Ferner 
wird hervorgehoben, daß der Besuch im Vatikan die Sympathien der nicht- 
klerikalen Italiener für Deutschland vermindert habe. Namentlich werden 
im Auslande solche Vermutungen geäußert. Gegen solche Nachrichten 
schreibt die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ (8. Mai): „Gewisse poli- 
tische Kreise im Auslande haben den Augenblick, in dem Se. Majestät der 
Kaiser den Boden Italiens wieder verlassen würde, kaum erwarten können, 
um ihre Treibereien zwischen Deutschland und Italien von neuem in Szene 
zu setzen. Nach einem Pariser Zeitungstelegramm verbreitet die „Agence 
Havas“ aus Rom datierte Depeschen, die sich zu der Behauptung versteigen, 
die Art des Kaiserbesuches beim Papst habe in offiziellen italienischen Kreisen 
einen peinlichen Eindruck gemacht, der immer mehr zunehme. Infolge- 
dessen sei die politische Wirkung der Reise des Kaisers, soweit die italie- 
nische Regierung in Frage komme, gleich Null. Ob die Verbreitung solcher 
Tendenzdepeschen auf eine Irreführung der öffentlichen Meinung in Frank- 
reich berechnet ist, mag dahingestellt bleiben. Sollte damit die Aksicht 
verbunden sein, in Italien gegen Deutschland Stimmung zu machen, so 
dürfte der Versuch sein Ziel völlig verfehlen. Tatsächlich konnten die 
äußeren Formen des Besuches Sr. Majestät beim Papst in Rom nur den 
gerade entgegengesetzten Eindruck erwecken, wie ihn die „Agence Havas“ 
charakterisiert, da durch die Einhaltung feierlicher Formen bei der Fahrt 
nach dem Vatikan vor den Augen der Welt bezeugt wurde, wie wenig der 
Papst in dem Genuß der ihm zustehenden Rechte eines Souveräns be- 
schränkt ist. Die erwähnten französischen Ausstreuungen erhalten durch 
den Umstand ein eigenartiges Gepräge, daß sie in die Oeffentlichkeit durch 
die Agence Havas“ gebracht werden, die bekanntlich in der Pariser Pu- 
blizistik eine besondere Stellung einnimmt.“ 
13. Mai. (Württemberg.) Die Abgeordnetenkammer ge- 
nehmigt einstimmig den Gesetzentwurf über die Tilgung der Staats- 
schuld. 
Danach wird die 4prozentige Staatsanleihe von 1891/92 in eine 
neue 3½prozentige Schuld umgewandelt. An Stelle der bevorstehenden 
vertragsmäßigen Schuldentilgung wird die gesetzliche Schuldentilgung ein- 
geführt und ihre Höhe auf 3/8 Prozent der im Anfange eines jeden Rech- 
nungsjahres bestehenden verzinslichen Staatsschuld festgesetzt. Außerdem 
wird bestimmt, daß von dem Ueberschuß des Staatshaushalts ⅜/ zur 
Schuldentilgung verwendet werden sollen. 
14./19. Mai. Aufenthalt des Kaiserpaares in den Reichs- 
landen. 
Am 14. Mai weiht der Kaiser das neue Christusportal an der 
Metzer Kathedrale ein. Als Vertreter des Papstes nimmt Kardinal Kopp 
teil. Der Kaiser richtet folgende Ansprache an Bischof Benzler: Es ge- 
reicht Mir zur besonderen Freude, Ihnen, hochwürdigster Bischof, das nun- 
mehr vollendete Portal des Metzer Domes übergeben zu können. Ein 
Meisterwerk der Architektur wie der Bildhauerkunst, hat seine bildliche 
  
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.