Vas Neeische Reich und seine einzelnen Glieder. (August 22.—27.) 125
Stellung Preußens zu der Aufhebung des § 2 des Jesuitengesetzes nicht
eine jener Wandelungen eingetreten sei, wie sie beispielsweise Aen ch
die überraschende Wendung in der Frage des Zedlitzschen Schulgesetzent-
wurfes brachten!“ Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ schreibt (am
26. August): „Unsere Erklärung, daß die Mitteilung über eine Auseinander-
setzung zwischen dem Kaiser und dem Reichskanzler in der Jesuitenfrage
auf Erfindung beruht, genügt dem „Reichsboten“ nicht. Er meint, wir
dementieren nur, daß eine Auseinandersetzung auf Grund der Vorstellung
des evangelischen Oberkirchenrats erfolgt sei. Demgegenüber sei ihm nun-
mehr, „schlicht und einfach“, wie er will, gesagt: „Die Behauptung, daß
zwischen dem Kaiser und dem Reichskanzler über die Frage der Aufhebung
des § 2 des Jesuitengesetzes überhaupt eine Auseinandersetzung stattgefunden
habe, ist eine Lüge."“
22. August. (Sachsen.) In Crimmitschau legen die Textil-
arbeiter die Arbeit nieder, weil die Arbeitgeber den zehnstündigen
Arbeitstag, eine zehnprozentige Lohnerhöhung ablehnen. Die Heim-
arbeiter schließen sich dem Streik an.
22. August. Der Staatssekretär des Reichsschatzamts Frhr.
v. Thielmann tritt zurück; sein Nachfolger wird der bayerische Be-
vollmächtigte zum Bundesrat Frhr. v. Stengel. — Der Wechsel
wird vielfach mit der Notwendigkeit einer Reichsfinanzreform in
Verbindung gebracht.
24.—27. August. (Köln.) 50. Generalversammlung der
Katholiken Deutschlands. Schulfrage; Verhältnis zwischen Kirche
und Staat; Glaubensspaltung und Duldung.
An der Versammlung nehmen teil außer vielen Bischöfen die Erz-
bischöfe Fischer von Köln und Ferrari von Mailand. Das Präsidium
führt der Vorsitzende der bayerischen Abgeordnetenkammer v. Orterer,
der über die Notwendigkeit einer christlichen Schule spricht. Er sagt: Wir
brauchen gute, von echt religiösem Geiste beseelte Lehrer, die keineswegs
ultramontan zu sein brauchen. In Preußen geht in dieser Beziehung etwas
vor. Die Landtagswahlen werden hoffentlich nicht ohne Ergebnisse für die
Ausgestaltung der Schule bleiben. In der Erörterung hierüber ergibt sich
allgemeine Uebereinstimmung. — Abg. Schädler spricht über die Aufgaben
der Katholiken. Der Liberalismus habe abgewirtschaftet, der Feind der Kirche
sei jetzt vor allem die Sozialdemokratie. Die Katholiken seien bereit, den
Kampf gegen sie zu führen. Auch der Kampf mit der weltlichen Autorität
sei für die katholische Kirche trotz alles neuen Sirenengeflüsters nicht be-
endet. Zwar zum Kaiser und den Fürsten dürfe man volles Vertrauen
haben. „Aber in unseren Ministerhotels und in den Kabinetten, bei den
Regierungen geht ein böser Geist um, ein böser Geist, erfüllt von Vor-
urteilen, ein Geist, der von katholikenfeindlichen Bestrebungen von außen
her genährt wird. Und dieser böse Geist — ich zitiere ihn, weil er ja
dann seine Macht verliert — (Heiterkeit), dieser böse Geist geht noch fort
und fort um in den Geheimratsbureaus, und deshalb müssen unsere General-
versammlungen immer wieder hinweisen auf das, was uns bedrückt und
was wir begehren.“ — Professor Mausbach spricht über die Förderung
der christlichen Kunst, die in engster Beziehung zur Moral stehen müsse.
Am Schluß des Tages sagt Erzbischof Fischer: Die Spaltung im Glauben