Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunzehnter Jahrgang. 1903. (44)

Die ästerreithisqh · nugarische Monarthie. (September 24.) 217 
scher Eid!“ Rufe rechts: „Zur Ordnung!“ Der Präsident ruft Barabas 
zur rnunge Kossuth bespricht die gestrigen Erklärungen Dr. Körbers 
im österreichischen Abgeordnetenhause über den Einfluß Oesterreichs auf 
die gemeinsame Armee. Aus diesen Erklärungen gehe hervor, daß der 
ungarische König in ungarischen Angelegenheiten österreichische Minister zu 
Rate ziehe. Redner beantragt, eine Adresse an den König zu richten, in 
der die Beschwerden des Landes klargelegt werden. In dem vom Redner 
empfohlenen Adreßentwurfe wird unter anderem gesagt, der Ausdruck 
„Meine Armee“ sei unrichtig und unzulässig. Dieser Ausdruck stamme 
aus einer Zeit, wo die Fürsen das Heer aus eigenen Mitteln erhielten. 
In der Zeit der Volksheere sei dieser Ausdruck nicht mehr der Sachlage 
entsprechend, da das Heer der Nation gehöre, und es sei auch nicht zu- 
lässig, die Nation als Volksstamm zu bezeichneu, wie dies in dem Armee- 
befehl geschehen sei. Der Adreßentwurf erklärt ferner, es bestehe ein 
Widerspruch zwischen dem Handschreiben und den Erklärungen des öster- 
reichischen Ministerpräsidenten. Der Schlußpassus des Adreßentwurfs lautet: 
Wenn wir das Wohlergehen unseres Staates nur um den Preis der Auf- 
opferung unserer Rechte und unserer Sprache erlangen können, so rufen 
wir niemals, niemals, niemals! Die Verlesung der Adresse wird von der 
äußersten Linken mit stürmischem Beifall ausgenommen. Darauf wird die 
Sitzung unterbrochen. — Nach der Pause ergreift Ministerpräsident Graf 
Khuen-Hedervary unter großer Unruhe des Hauses das Wort. Von 
der äußersten Linken ertönt der Ruf: „Bestecher!“ Der Präsident ermahnt 
den Abg. Lengyel zur Ruhe. Nachdem der Lärm ungefähr zehn Minuten 
gedauert hat, tritt der Abg. Rigo auf den Ministerpräsidenten zu und sagt 
ihm, jedoch nur so, daß es der Ministerpräsident und die umstehenden 
ersonen hören konnten: „Versuchen Sie nicht zu sprechen! Fordern Sie 
uns nicht heraus!“ Die Abgeordneten strömen nach der Mitte des Saales. 
Es entsteht ein ungeheurer Lärm. Der Ministerpräsident setzt sich. Die 
Sitzung wird suspendiert. — Nach fünf Minuten wird die Sitzung wieder 
eröffnet. Der Präsident, Graf Apponyi, sagt: Der Ministerpräsident teilt 
mir mit, der Abg. Franz Rigo habe ihm gesagt: „Gehen Sie hinaus, 
fordern Sie nicht das Haus heraus!“ Da der Ministerpräsident dies als 
eine Verletzung der Immunität ansieht, verweise ich den Fall an den Im- 
munitätsausschuß! Nach dieser Erklärung des Kammerpräsidenten ergreift 
der Ministerpräsident Graf Khuen-Hedervary abermals das Wort; er ist 
jedoch in dem ungeheuren Tumult kaum verständlich. Im Laufe seiner 
Rede kommt Graf v. Khuen-Hedervary zu einer Stelle, in welcher er, kraft 
der Ermächtigung des Königs, den Armeebefehl erläutert. Abg. Barabas 
ruft dazwischen: „Wir glauben dem König nicht.“ Es entsteht ein un- 
geheurer Lärm. Die Regierungspartei, die sich bisher ziemlich ruhig ver- 
halten hat, springt wie ein Mann von den Bänken auf und alle schreien: 
„Schurke! Verräter!“ Das Toben dauert fort. Der Präsident erklärt, 
Barabas solle eine Entschuldigung vorbringen. Rufe von rechts: „Es gibt 
hier keine Entschuldigung!“ Auch die klerikale Volkspartei wendet sich mit 
entrüsteten Zurufen gegen die Mitglieder der Kossuthpartei. Der Lärm 
und der Tummurlt spotten jeder Beschreibung. Inmitten des Lärms ruft 
eine Stimme: „Es lebe der König!“ Die Mehrheit stimmt in den Ruf 
ein; stürmisch ertönt es minutenlang von rechts: „Es lebe der König!“, 
während man von der linken Seite den Ruf hört: „Es lebe die Verfas- 
sung!“ — Nachdem die Ruhe wiederhergestellt ist, setzt der Ministerpräsident 
seine Rede fort und schließt mit dem Antrage, das Haus möge sich bis 
zur Konstituierung der Regierung vertagen. (Beifall rechts.) Zurufe von 
der äußersten Linken: „Chloph!“ Abg. Barabas erhebt sich, angeblich, um 
 
	        
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