160 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Dezember 5./10.)
2241560900 Mark abschließt. Zur Balanzierung ist eine Anleihe von
293 Millionen Mark erforderlich. Es sei eine gründliche Reform der
Reichsfinanzen notwendig; die vergrößerten Ausgaben für Heer, Marine
und den südwestakrikanischen Aufstand könnten aus ordentlichen Mitteln
nicht gedeckt werden. Die Zinsen der Reichsschuld seien um 8¾ Millionen
höher angesetzt worden. Der nunmehr auf 113 Millionen aufgeschwollene
Zinsetat sollte vor allem eine ernste Mahnung sein, mit der Kontrahierung
von Schulden nicht in der bisherigen Weise fortzufahren, vielmehr mit der
baldigen Einrichtung einer Schuldentilgung vorzugehen. (Allseitiger Bei-
fall.) Das ist umsomehr notwendig, als von der Anleihesumme in Höhe
von 293 Millionen Mark nur 44 Millionen für unmittelbar produktive
Zwecke, nämlich für Post- und Eisenbahnverwaltung, bestimmt sind. Wenn
ich meinen Blick über das Jahr 1905 hinausschweifen lasse, so muß ich
sagen, daß die Aussichten recht trübe sind, und daß sie trübe bleiben, wenn
auch nach Erledigung der Wirren in Deutsch-Südwestafrika die Anleihen
eine wesentliche Minderung erfahren. Ich muß offen erklären, daß es mit
der Wirtschaft in unserem Haushalt in der bisherigen Weise nicht weiter
gehen kann, und daß wir alles tun müssen, um unsere Wirtschaft auf eine
solide Basis zu setzen. Wir haben bereits den Anfang zu dem Fundament
für eine bessere Wirtschaft gemacht, und wir haben auf dem diesmal be-
tretenen Wege weiter gehen müssen. Wir können die Verhältnisse
nicht sanieren außer durch eine Verbesserung der Einnahmen. Von den
Zöllen eine Besserung zu erwarten, halte ich für Optimismus. Es wird
sich ja nächstens der Schleier lüften. Ich habe mich nie einer sanguinischen
Hoffnung in dieser Beziehung hingegeben. Die Finanzzölle haben eine
Ermäßigung erfahren, und die landwirtschaftlichen Zölle sind zum größten
Teil zu sozialpolitischen Zwecken festgelegt worden. Ich hoffe, daß dieser
Fonds für die Witwen- und Waisenversorgung nicht ein ähnliches Schicksal
haben möge wie der Reichsinvalidenfonds, der im Jahre 1910 aufgezehrt
sein wird. (Bewegung.) Nur eines können wir mit Sicherheit sagen, daß
immer neue Aufwendungen hinzukommen werden. Ich erinnere an das
Militärpensionsgesetz, dessen Wirkung im Etat noch nicht in die Erscheinung
tritt. Ich erinnere an die Militärvorlage und die Vorlage betr. die zwei-
jährige Dienstzeit, an den wachsenden Reichszuschuß für die Invaliden-
versicherung für die Veteranen, an den Wohnungsgeldzuschuß. Mir fehlt
der Glaube, daß die Einnahmen aus dem neuen Zolltarif eine Besserung
bringen werden, im Gegenteil fürchte ich, daß trotz der Mehreinnahmen
aus den Zöllen ein gewaltiger Fehlbetrag bleiben wird. Daher sind
schleunigste Maßnahmen zur Sanierung nötig. Ich weiß mich im Ein-
klang mit den verbündeten Regierungen, wenn ich erkläre, daß sie für eine
Vertagung dieser Sanierung nicht die Verantwortung tragen können. Es
muß aber bei der Sanierung an einem festgehalten werden, nämlich an
einer schonenden Rücksicht auf die wirtschaftlich Schwachen. (Beifall)
Hierauf begründet Kriegsminister v. Einem die Militärvorlagen,
die eine festere Organisation des Heeres schaffen und die Mobilisierung
erleichtern sollen.
5./10. Dezember. (Reichstag.) Etatsberatung. Finanzen,
Handelsverträge. Bülow, Bebel und Vollmar über die auswär-
tige und innere Politik. Ton der sozialdemokratischen Presse.
Schwäche der Revisionisten.
Abg. Spahn (Z.) stimmt dem Schatzsekretär zu, daß das Schulden-
machen nicht in der bisherigen Weise fortgesetzt werden dürfe, vermißt