Das Hauptquarkier des Oberbefehlshabers Ost
in Kowno Oktober 1915 bis Juli 1916.
Die Zeit der Ruhe.
J.
N dem Abschluß der Kämpfe nördlich Arras im Mai herrschte an der
Westfront den Sommer 1915 über im allgemeinen Ruhe. Ende Sep-
tember setzten die gewaltigen Angriffe der Entente bei Loos sowie in der
Champagne ein. Die aus dem Osten abberufenen Truppen kamen gerade
rechtzeitig genug an, um die so tapfer ausharrenden Verteidiger der West-
front zu unterstützen und einen großen gefährlichen Rückschlag abzuwenden.
Der Italiener hatte mehrmals und vergeblich angegriffen. Die k. u. k.
Armee schlug sich gegenüber Italien gut; das war der Erbfeind, während
gegen Rußland keinerlei nationale Instinkte sich regten.
Die deutsche Oberste Heeresleitung und das k. u. k. Armee-Oberkom-
mando hatten den Entschluß gefaßt, Serbien niederzuwerfen. Bulgarien
trat, in seinem natürlichen Gegensatz zu Serbien und gedrängt von Maze-
doniern, offen auf unsere Seite; die Einnahme Warschaus hatte dort einen
besonders starken Eindruck hervorgerufen. Bulgarien brachte uns mit
seinen 12 starken Infanterie-Divisionen sofort einen Kräfteausgleich auf dem
Balkan. Generalfeldmarschall v. Mackensen überschritt Anfang Oktober die
Donau. Der serbische Feldzug führte uns bis Anfang Dezember nahe an
die griechische Grenze. Die Rücksicht auf Griechenland, die Ermüdung der
Truppen und der Zustand der rückwärtigen Verbindungen, vielleicht noch
andere, mir unbekannte politische und militärische Gründe hinderten uns,
die Operation auf Saloniki weiterzuführen, von wo aus die ersten Entente-
truppen in den Kampf eingriffen. Die Einnahme von Saloniki würde uns
eine große Entlastung auf der Balkanhalbinsel gebracht haben. Auf Grund
meiner späteren Erfahrungen muß ich feststellen, daß wir durch eine solche
Operation auch nicht einen Bulgaren für die Westfront gewonnen hätten.
Wir würden voraussichtlich die Engländer, Franzosen und Serben, die
später an der mazedonischen Front standen, in Frankreich gehabt haben.
Diese Betrachtungen blieben auch weiterhin maßgebend. Der Angriff auf
Saloniki blieb immer eine Nebenoperation und muß als solche bewertet
werden.