Die ãsterreithisq·nngarische Menarie. (August Anfang—31.) 195
Anfang August. (Cisleithanien.) Verhandlungen zwischen
den deutschen Parteien und der Regierung über slavische Parallel=
klassen in Schlesien.
Eine offizielle Mitteilung der deutschen Parteien erklärt, daß infolge
eines Beschlusses des Vollzugsausschusses der deutschen Parteien die Ab-
eordneten Groß und Derschatta dem Ministerpräsidenten v. Körber er-
lärten, die deutschen Parteien erblickten in der Errichtung slavischer Pa-
rallelklassen an den deutschen Lehrerbildungsanstalten Schlesiens eine Er-
füllung unberechtigter slavischer Wünsche auf Kosten der Deutschen. Die
Deutschen müßten in diesem Falle in bezug auf ihre Stellung zur Regie-
rung ihre Konsequenzen ziehen. Der Ministerpräsident erklärt, seine bis-
herige Geschäftsführung biete genügend Belege für den Grundsatz der
Regierung, die politische Stellung keiner Nationalität zu tangieren und
tangieren zu lassen. Die Regierung könne in der Errichtung slavischer
Parallelkurse eine Bedrohung der Deutschen nicht erblicken. Sie sei bemüht
gewesen, die nationale Leidenschaft von der Angelegenheit fern zu halten,
was sie auch die Deutschen zu tun bitte. Die Vertreter der deutschen
Varteien nehmen die Antwort des Ministerpräsidenten zur nicht befriedigen-
en Kenntnis.
8. August. (Galizien.) Schluß eines großen Ausstandes
der Petroleumarbeiter in Boryslaw. Die Arbeiter setzen eine Ver-
kürzung der Arbeitszeit und Verbesserung der hygienischen Verhält-
nisse durch.
16. August. (Marienbad.) Zusammenkunft zwischen dem
Kaiser und dem König von England.
18. August. (Schlesien.) Eine große deutsche Volksver-
sammlung von über 12000 Personen demonstriert gegen die sla-
vischen Parallelklassen in Troppau und Teschen. Es gibt Zu-
sammenstöße mit Polizisten und Militär. — Am 21. findet eine
schwache tschechische Gegendemonstration statt.
27. August. Sprachenerlaß des Kriegsministers.
Reichskriegsminister FZ M. v. Pitreich verordnet, daß alle Truppen-
kommandos und Militärbehörden amtliche Zuschriften, sowie Eingaben
einzelner Personen in ungarischer Sprache anzunehmen und inm schriftlichen
Verkehr mit ungarischen Behörden sich der ungarischen Sprache zu bedienen
haben. Alle in nicht deutscher Sprache, abgesehen von ungarischen, ein-
aufenden Zuschriften — also tschechische, polnische u. s. w. — sind in der
deutschen Dienstsprache zu erledigen.
31. August. (Lemberg.) Auf einer Inspektionsreise durch
Galizien sagt Ministerpräsident v. Körber über die Sprachenfrage
und die Lage der Geschäfte:
Während seiner Reise sei er immermehr zu der Erkenntnis ge-
kommen, daß gerade die Beamten bei aller Wahrung der Nationalität
mehrere landesübliche Sprachen verstehen sollten. Niemand brauche seinem
Volke untreu zu werden, wenn er eine zweite oder eine dritte Sprache er-
lerne. Für den Frieden des Reiches wäre es jedoch von der glücklichsten
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