196 JZie isterreiczischungerische Mornuchie. (August 31.— Sept. 27.)
Vorbedeutung, wenn der Staat über eine große Schar von Beamten ver-
fügen könnte, die in der Lage seien, mit den Angehörigen anderer Volks-
stämme durch ein lebendiges Wort zu verkehren. Die Sprachenfrage sei
zu einer großen Frage des Reiches geworden; nichts sei beklagenswerter,
als daß 8 noch übertrieben werde. Die gegenwärtige Regierung sei
sich bewußt, keiner der in Oesterreich lebenden Nationalitäten irgendwie
nähergetreten zu sein. Wir wollen jederzeit unser ganzes bescheidenes
Können für das Werk der Verständigung einsetzen, wenn die streitenden
Nationalitäten wirklich sich verständigen wollen; wir werden aber unter
keinen Umständen einseitige nationale Konzessionen machen. Für dieses
Programm haben wir uns keinem anderen als uns selbst verpflichtet, und
wir werden unser Wort halten. Für die Völker Oesterreichs wäre es eine
Erlösung, wenn sich eine Schar entschlossener Patrioten erhöbe mit dem
festen Willen, den so verhängnisvollen Uebertreibungen ein Ende zu machen.
Das Reich hat jedem Volke verbürgt, daß es gehört wird. Nun soll aber
der mächtige nationale Gedanke, der in seiner Kraft ein Bollwerk der
Eintracht werden könnte, in einen Paroxismus umgeschmiedet werden, der
das Reich zerstört. Das Ende ist leicht abzusehen. Ein Uebermaß muß
zu einem Zustande zurückführen, welcher der nationalen und politischen
Freiheit nicht günstig ist. Ich schreibe unter das düstere Bild der Gegen-
wart wieder die Devise der Regierung: „Leidenschaftslose Beharrlichkeit".
Man wird uns zu keinem Unrechte und keinem Gewaltakte bereden. Macht
uns das Parlament zu Kuratoren des Reiches, so wissen wir, daß wir
allein für dessen Wohl zu sorgen haben, bis die Parteien sich wiederfinden,
bis sie das Labyrinth der nationalen Feindseligkeit verlassen. Oesterreich
kann allerdings bis dahin nicht warten. Dem Zwang, der sich daraus
ergibt, werden wir, wie bisher, auch bei unserem ganzen weiteren Vorgehen
mit gutem Gewissen folgen.
31. August. (Lemberg.) Die jungruthenische Partei pro-
testiert unter Tumulten gegen die Ausrottungspolitik der polnischen
Verwaltung.
Ende August. (Ungarn.) Über das Bistum Rosenau wird
Sequester verhängt.
Ende August. (Tirol.) Abg. Kathrein, der Führer der
Katholiken, Bürgermeister von Hall, wird zum Landeshauptmann
von Tirol ernannt.
20. September. (Steiermark.) Bei den Landtagswahlen in
der neuen 4. allgemeinen Wählerkurie erhalten in den nichtslove-
nischen Kreisen christliche Volkspartei 56442, Sozialdemokraten
36 448, deutsche Volkspartei 16441, Bauernbündler 10 .91.
23. September. Das Handelsprovisorium bis Ende 1905
und der definitive Handelsvertrag mit Italien werden unterzeichnet.
27. September. (Tirol.) Durch Verordnung des Unter-
richtsministers wird eine provisorische rechts= und staatswissen-
schaftliche Fakultät mit italienischer Vortragssprache in Innsbruck
errichtet.
In der Begründung heißt es: Infolge der Vertagung des Abgeord-