Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zwanzigster Jahrgang. 1904. (45)

Bie sfterreichis#-#u#riscze Monarchie. (Oktober 23.—November 2.) 201 
ausgeliefert. Einigermaßen leidlich sind die Verhältnisse noch in Sieben- 
bürgen. Von den höheren Lehranstalten (Gymnasien u. s. w.) hatten unga- 
rische Unterrichtssprache 1901/02 178 gegen 156 in 1892, gemischte 5 (dar- 
untee deutsch 2) gegen 13 (darunter deutsch 9), nicht ungarische 10 (dar- 
unter deutsch 6) gegen 12 (darunter deutsch 7). Auch hier tritt uns die- 
selbe Erscheinung entgegen wie bei den Volksschulen. 
23. Oktober. (Ungarn.) Streikerlaß der Regierung. 
Ministerpräsident Graf Tisza richtete an sämtliche Munizipien 
Ungarns eine Verordnung, worin er unter Hinweis auf die bedeutenden 
wirtschaftlichen Schäden, welche die häufigen Streikbewegungen verursachen, 
betont, daß die Behörden überall ihr Augenmerk auf die Streikbewegungen 
und auf die Tätigkeit der die Arbeiter terrorisierenden Agitatoren richten 
müssen. „Ich erwarte, daß die Behörden selbst mit den strengsten Mitteln 
die vollständige Sicherheit der Person und des Eigentums gegen jeden ter- 
roristischen Versuch aufrecht erhalten und verteidigen, die ungesetzlichen 
Handlungen ahnden und alle diejenigen Elemente entfernen werden, welche 
die Arbeiter zu ungesetzlichen Handlungen verleiten wollten. Wenn die 
Behörden in diesem Sinne ihre Pflicht tun, so wird der Agitation, die 
wiederholt die Arbeiterschaft zwecklosen Kämpfen aussetzt, ein Ende bereitet 
werden. Man kann aber in einem freien Staate die Arbeiterschaft nicht 
des Rechtes, die Uebernahme der Arbeit nach eigenem Gutdünken zu be- 
schließen, berauben; auch kann kein Verbot der Massenarbeitseinstellungen 
erlassen werden. Die Arbeiterschaft muß nur von den Agitatoren, die 
gleich Parasiten an ihrem Körper zehren, befreit werden. Dadurch wird 
auch der gesellschaftliche Friede hergestellt werden. Die Streikfrage bedarf 
der energischen Tätigkeit der Behörden."“ 
W. Oktober. (Wien.) Die Sozialdemokraten demonstrieren 
gegen den Bürgermeister Lueger, weil er die Maifeier verhöhnt 
habe. — Die Regierung wird von den Christlich-Sozialen heftig 
angegriffen, daß sie die Demonstration gestattet, dagegen einen 
Fackelzug zu gunsten Luegers verboten habe. 
26. Oktober. (Siebenbürgen.) Die 18 sächfischen Reichs- 
tagsabgeordneten beschließen einstimmig, den Entwurf des Volks- 
schulgesetzes abzulehnen. 
26. Oktober. (Cisleithanien.) Umbildung des Kabinetts. 
Der Finanzminister Böhm-Bawerk wird durch den Direktor der Post- 
sparkassen, Dr. Kosel, der Ackerbauminister Giovanelli durch den Grafen 
Boucquoy ersetzt. Professor Randa wird zum tschechischen Landsmann- 
minister ernannt. — Den Führern der Deutschen erklärt Ministerpräsident 
v. Körber, daß den Tschechen keine Versprechungen gemacht worden seien. 
28. Oktober. (Ungarn.) Das Abgeordnetenhaus genehmigt 
nach langer, heftiger Diskussion den provisorischen Handelsvertrag 
mit Italien. 
2. November. (Wien.) Die ößsterreichischen und ungarischen 
Minister unterhandeln mit dem deutschen Staatssekretär Graf 
Posadowsky über den Handelsvertrag.
	        
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