Bie Herreichiscungerische Moenargie. (November 17.) 203
den Gehorsam versagen. Ministerpräsident Graf Tisza erwidert,
um Ungarn vor dem Schicksal Polens zu bewahren, müsse man
das Wesen der Verfasfung höher stellen als die Form.
17. November. (Cisleithanien.) Der Reichsrat tritt zu-
sammen. Ministerpräfident v. Körber sagt über die innere Lage:
Die beispiellose Mannigfaltigkeit unserer nationalen und politischen
Parteiverhältnisse bringt es mit, daß, so sorgfältig die Regierung auch jede
Maßnahme im vorhinein erwägt (lärmender Widerspruch), um nach keiner
Seite hin zu verletzen, sie doch zuweilen infolge unerläßlicher Notwendig-
keiten Verfügungen treffen muß, welche nachträglich eine irrige Auslegung
seitens der Parteien erfahren. (Lärmende Zwischenrufe.) Die Regierung
hält an dem in der Thronrede vom 14. Februar 1901 Niedergelegten fest,
daß ihr jede mala füdes fremd ist und daß sie ganz allein vom staatlichen
Gesichtspunkt aus handelt (Zwischenrufe), der bei unseren Zuständen nun
einmal nicht immer sich mit den Wünschen aller nationalen Parteien deckt.
Er (Redner) hätte gerne vermieden, sich schon jetzt über die Angelegenheiten.
zu äußern, welche wahrscheinlich den Gegenstand von Anfragen und An-
trägen bilden würden (lärmende Unterbrechungen seitens der Alldeutschen
und des Abg. Erler); allein die jüngsten Ereignisse in Innsbruck zwängen
dazu. Er verweise darauf, daß italienische Kurse an der Innsbrucker
Universität bis 1864 bestanden haben, ohne daß irgendwelche Klagen wegen
drohender Verwelschung erhoben worden sind. Redner zitiert unter lär-
menden Unterbrechungen einen Artikel der Ostdeutschen Rundschau, in wel-
chem vor drei Jahren gegen die Wegverlegung der italienischen Kurse aus
Innsbruck Einspruch erhoben worden ist. Die Regierung hatte, da die
Schaffung einer selbständigen italienischen Universität oder auch nur einer
Fakultät ihr ausgeschlossen erschien, den italienischen Studenten aber die
Fortsetzung ihrer Studien ermöglicht werden mußte, nur den einzigen Aus-
weg, dem Reichsrate einen Gesetzentwurf über die Errichtung einer juristi-
schen Fakultät an einem anderen Orte zu unterbreiten, für die Zwischen-
zeit aber in Innsbruck durch die Absonderung der italienischen Studenten
in einer mit der Universität möglichst lose zusammenhängenden italienischen
Fakultät die Wahrscheinlichkeit von Ausschreitungen tunlichst zu vermeiden.
Dieser Gedanke wurde mit den Mitgliedern des akademischen Senats der
Innsbrucker Universität, also gewiß mit guten deutschen Männern erörtert,
ja man könnte beinahe sagen, er stamme von dort her. (Hört! Hörtl) Die
bezügliche Verordnung kennzeichnet unzweifelhaft den provisorischen Cha-
rakter dieser Maßregel. Ohne sichtlichen Grund wuchs die Erregung je-
doch, und trotzdem die ruhig verlaufene Eröffnungsfeier der Universität die
Hoffnung rechtfertigte, daß die Gemüter beider Parteien besänftigt seien,
kam der verhängnisvolle Abend mit der Versammlung im „Weißen Kreuz“.
Das Gesetz wird alle Schuldigen nach der Maßgabe ihrer Schuld treffen.
Einem Volksstamme, fährt der Ministerpräsident fort, der 45 Prozent der
Gesamtbevölkerung des Tiroler Landes ausmacht, wird der provisorische,
zweifellos ganz kurze Aufenthalt in der Hauptstadt dieses Landes so schroff
versagt! Die Einheit des ganzen Tiroler Gebietes ist sicherlich eine Herzens-
sache jedes Oesterreichers und jedes Deutschen. Es ist auch wahr, daß ein
breites Band gemeinsamer Kulturinteressen die Deutschen und die Italiener
umschlingt, was nicht nur durch Worte, sondern auch jahrelang durch die
Tat und durch die erprobte Waffenbrüderschaft bewährt worden ist. Warum
also jetzt diese Ablehnung, die mit der ganzen Vergangenheit im Wider-
spruch steht. Es ist unwahr, daß die Deutschen in Oesterreich mit den