204 Die Fterreichisch-ungarische Manarthie. (November 18.—30.)
Italienern in blutigem Zwist leben sollten, daß Haß und Verfolgung der
anderen Nationalität die notwendige Grundbedingung der Stellung der
Deutschen sein sollte. Durch die Geschichte des selbstbewußten Deutschtums
Oesterreichs zieht sich ein goldener Faden von unausgesetzten Bemühungen
um die Erhaltung und die Blüte des Reiches. Diese Tradition bietet die
Gewähr für den Frieden, für den alle Besonnenen eintreten. — Die Rede
wird häufig durch Lärm und Beifall unterbrochen.
In der Diskussion richten die alldeutschen Abgeordneten scharfe An-
griffe auf Körber und den Statthalter von Tirol. Der Ministerpräsident
erwidert mit einem Appell, das Haus arbeitsfähig zu machen, da alle
Staaten jetzt Handelsverträge abschlössen und Oesterreich nicht zurückbleiben
dürfe. An den Innsbrucker Ereignissen trage die Agitation auf beiden
Seiten die Schuld.
18. November. (Ungarn.) Das Abgeordnetenhaus genehmigt
in stürmischer Sitzung einen Antrag Daniel, der eine interimistische
Hausordnung zur Abkürzung der Debatte und Erweiterung der
Präsidialmacht in Kraft setzt. Die Oppofition bedroht den Präsi-
denten. — Das Haus wird durch kgal. Reskript vertagt.
18./22. November. (Cisleithanien.) Im Reichsrate richten
die Abgg. Graf Sternberg (Tsch.), Pernerstorfer (Soz.) und Berger
(Alld.) die heftigsten Angriffe auf die Dynastie Habsburg, die
Osterreich zu Grunde richte.
November. (Ungarn.) Die Opposition des Abgeordneten-
hauses richtet eine Adresse an den König gegen die neue Haus-
ordnung. Etwa 20 Abgeordnete, darunter Andrafsy und Szell,
treten aus der Regierungspartei aus. Es finden viele Demon-
strationen für und wider die Regierung statt.
25. November. Ungarn und Frankreich schließen einen Ver-
trag, den Tarif für Zeitungstelegramme vom 1. Januar ab von
20 auf 12 Centimes für das Wort herabzusetzen.
30. November. (Cisleithanien.) Ministerpräfident v. Körber
gibt in der Konferenz der Parteiobmänner folgende Erklärung über
sein Arbeitsprogramm ab:
Ich habe vor allem auf das bestimmteste zu betonen, daß die Her-
stellung der Arbeitsfähigkeit des Abgeordnetenhauses das nächstwichtigste
Ziel der Regierung war und ist. Zur Herstellung der Arbeitsfähigkeit des
Abgeordnetenhauses halten wir es für geboten, zunächst für einen Kontakt,
namentlich der großen Parteien, einzutreten, damit der im parlamentari-
schen Leben notwendige äußere Verkehr hergestellt und gleichsam eine Ueber-
brückung der Vergangenheit gefunden wird. Ich halte es ferner für wün-
schenswert, daß der etwaige Entschluß der Vertreter des tschechischen Volkes,
die Arbeitsfähigkeit des Reichsrates nicht weiter zu hemmen, aus keinem
anderen Motive, als dem der sorgfältigsten Erwägung der wichtigsten
Staatsinteressen entspringt, und allseitig als berechtigt anerkannt wird.
Sollte eine Arbeitsfähigkeit des Hauses zu erzielen sein, so würde die Re-
gierung, sobald nur die drei unabweislichen Gesetze über den Notstand, die