Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zwanzigster Jahrgang. 1904. (45)

Die ãsterreithisq· nngarise Nenarie. (November Ende — Dezember 9.) 205 
italienische Rechtsfakultät und das Budgetprovisorium erledigt sind, es als 
im Interesse der Konsolidierung des Verhältnisses gelegen erachten, daß das 
Abgeordnetenhaus zunächst einige neutrale, alle Parteien gleichmäßig inter- 
essierende Angelegenheiten, wie das Preßgesetz u. s. w. auf die Tagesord- 
nung stelle. Im Interesse der Arbeitsfähigkeit des Hauses halte ich noch 
eines für geboten: Ich meine, die Parteien sollten sich zu einer einzigen 
großen Parteiordnung zusammenschließen, um dann allen Ausschreitungen 
entgegenzutreten und die Würde des Hauses zu wahren. 
Ende November. Die Handelsvertragsverhandlungen mit 
Deutschland werden unterbrochen, da sich Differenzen über eine 
Veterinärkonvention und über die ösßterreichisch-ungarischen In- 
dustriezölle ergeben. (Vgl. S. 156.) 
4. Dezember. (Siebenbürgen.) Eine Wählerversammlung 
in Kronstadt protestiert gegen das Schulgesetz (S. 199). 
9. Dezember. (Wien.) Die Universität wird geschlossen, da 
deutsche Studenten gegen den Senat demonstrieren, um die Ent- 
fernung aller am 3. November nach Innsbruck abgereisten Italiener 
zu erzwingen. 
9. Dezember. (Cisleithanien.) Reichsrat. Ablehnung von 
Refundierungsforderungen. Vertagung. 
Der Budgetausschuß des Abgeordnetenhauses genehmigt die Not- 
standsvorlage, mit welcher 15½ Millionen Kronen für Notstandsunter- 
stützungen aus Staatsmitteln bewilligt werden, während er mit 29 gegen 
14 Stimmen die von der Regierung beantragte Ermächtigung zur Aus- 
zabe von 69 Millionen Kronen Tilgungsrente behufs Refundierung an die 
assenbestände ablehnt. Darauf nimmt er mit 31 Stimmen einen Ab- 
änderungsantrag an, durch welchen für Refundierungszwecke nur ebenso 
viel bewilligt werden soll, wie für Notstandszwecke, nämlich 15 ½ Millionen. 
Ministerpräsident Dr. v. Körber gibt darauf folgende Erklärung ab: Mit 
den eben erfolgten Beschlüssen hat der Budgetausschuß einen Weg betreten, 
welcher in logischer Konsequenz dazu führen müßte, neben einzelnen wirt- 
schaftlichen Fragen auch einzelne andere Angelegenheiten, namentlich wich- 
tige kulturelle Probleme, auf die glückliche Art der Ausschaltung aus dem 
politischen Parteienstreite zu behandeln, wobei die sonst durchaus gegneri- 
schen Parteien sich auf einem gemeinsamen Boden zusammen finden. Die 
Regierung würde das unter anderen Umständen mit der größten Genug- 
tuung begrüßen und darin ein Erfolg versprechendes Mittel zur Sanierung 
der Zustände im Abgeordnetenhause erblicken. Leider aber muß es als ge- 
wiß betrachtet werden, daß es sich hier nur um eine Inkonsequenz der- 
jenigen handelt, welche aus ihres Erachtens ernsten nationalen Erwägungen 
eine solche Methode sonst ablehnen. Die Regierung hätte also so gut wie 
keine Hoffnung, wenn sie mit Vorschlägen der angedeuteten Art hervor- 
treten wollte. Aus diesem Grunde zieht die Regierung es auch vor, ihrer- 
seits auf dem bisher betretenen Wege zu beharren, und, so schmerzlich ihr 
dies auch ist, auch die Linderung des Notstandes auf jenen nicht mehr 
fernen Moment zu verschieben, welchen sie nach der Entscheidung der poli- 
tischen Hauptfragen erwartet. Die ihr angemessen scheinenden Beschlüsse 
wird die Regierung unverzüglich fassen. Hierauf wird der Reichsrat 
vertagt. 
  
 
	        
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