Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zwanzigster Jahrgang. 1904. (45)

224 Großbritannien. (Juni 2. 9.) 
1885 seitens Englands gemachten Vorbehalts niemals in Kraft getreten. 
Wir haben jetzt unsere Annahme der Konvention wieder bestätigt und die 
Bedeutung unseres Vorbehalts klar gemacht. Wir haben die Zustimmung 
Frankreichs zu unserer Behauptung erhalten, daß wir den 1885 übernom- 
menen Verpflichtungen treu bleiben. Wenn wir fortfahren, gemäß den 
von uns aufgestellten Grundsätzen zu handeln, ist kein Grund vorhanden, 
anzunehmen, daß andere Mächte sich weigern werden, unsere Loyalität be- 
züglich dieser Verpflichtungen anzuerkennen, wie es Frankreich getan hat. 
Der Wunsch beider Parteien während der ganzen Unterhandlungen war 
nicht, zu sehen, wie wenig sie einander zugestehen, sondern wie weit sie sich 
in ihren gegenseitigen Ansichten entgegenkommen könnten. Was Egypten 
und Marokko anbetrifft, so haben wir nichts aufgegeben, im Gegenteil, in 
Marokko, wo wir bedeutende Opfer zu bringen scheinen, erzielen wir tat- 
sächlich einen bedeutenden Gewinn. Unsere politischen einzigen Interessen 
in Marokko sind strategischer Natur, und diese Interessen werden durch die 
Konvention noch mehr gesichert. In Egypten hat Frankreich viel auf- 
gegeben, und kein Grund berechtigt zu der Annahme, daß andere Mächte 
Schwierigkeiten erheben werden. Die Regierung hat dem Haufe die Kon- 
vention nicht als Tauschhandel, sondern als eine internationale Urkunde 
vorgelegt, welche denjenigen staatspolitischen Zweck erreichen wird, den die 
Führer beider Parteien Englands zu erreichen wünschen. Die Konvention 
ist ein großer Schritt nach der Richtung, in der nach dem Wunsche aller 
England gehen soll. Die einzige sichere und vorsichtige Politik, die wir 
in Zukunft verfolgen können, ist eine solche der Konzentration und Kon- 
solidierung der Verwaltung. Es ist ein Sieg der Diplomatie, daß die 
Schwierigkeiten so glatt erledigt wurden, und ich hoffe, daß die Zeit vor- 
über ist, wo ein Erfolg einer Nation als notwendigerweise nachteilig für 
eine andere Nation erachtet wurde. Ich hoffe auch, daß die Konvention 
ein Muster zur Erledigung der Schwierigkeiten zwischen England und 
anderen Nationen sein wird. 
2. Juni. Unterhaus.) Der Kriegsminister lehnt auf eine 
Anfrage die Vorschläge der Heereskommission zur Einführung der 
allgemeinen Wehrpflicht ab. 
9. Juni. (Unterhaus.) Debatte über den Kongostaat. 
Beschwerden Englands. (Vgl. 1903.) 
Einige Abgeordnete besprechen die im Kongostaate vorgekommenen 
Grausamkeiten und die Verletzung der internationalen Rechte. Eine inter- 
nationale Konferenz müsse darüber beraten. Unterstaatssekretär Earl Perch: 
Die englische Regierung stimme dem Hause durchaus zu. Ueber die Schritte 
der Regierung teilt er mit: In erster Linie hat die Regierung die Tat- 
sachen auf ihren Wert hin geprüft und festgestellt in der Annahme, daß 
die Kongoregierung im eigenen Interesse anerkennen würde, daß sie einen 
zwingenden Grund für eine erschöpfende Untersuchung bilden. In dieser 
Voraussetzung haben wir uns getäuscht; denn die Kongoregierung ließ sich 
sogar hinreißen, Beweggründe kommerzieller Eifersucht denen unterzu- 
schieben, welche die Klagen vorbrachten, und nannte die vorgebrachten 
Klagen einen Verleumdungsfeldzug. Demjenigen, der auch nur die ge- 
ringste Kenntnis von der englischen Politik hat, muß der Gedanke, daß wir 
durch solche Beweggründe in unserem Handeln bestimmt werden, einfach 
lächerlich erscheinen. Wir haben nur mit der Ueberzeugung gehandelt, daß 
die Unterzeichnung einer internationalen Konvention die Unterzeichner ver- 
pflichtet, nach gewissen, festgelegten Grundsätzen zu handeln, und sowohl 
 
	        
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