F##treich. (Mai 25. 27.) 245
Diese liegt, obwohl Herr Delcassé erklärte, der Besuch schließe jede feind-
selige Absicht gegen den peeiligen Stuhl aus, in dem Akte selbst, und dies
in um so stärkerem Maße, als der Heilige Stuhl die französische Regie-
rung davor gewarnt hatte. Die öffentliche Meinung in Frankreich und
in Italien hat den beleidigenden Charakter des Besuches herausgefunden,
der von der italienischen Regierung gewollt war zu dem Zweck, die Rechte
des Heiligen Stuhls zu schwächen und seine Würde herabzusetzen, welche
Rechte und Würde im Interesse der Katholiken der ganzen Welt zu schir-
men und zu schützen der Heilige Stuhl für seine erste Pflicht hält. Auf
daß aber eine so schmerzliche Tatsache nicht einen Präzedenzfall bilden
könne, sieht der Heilige Stuhl sich gezwungen, die formellste und ausdrück-
lichste Einsprache dagegen zu erheben, und der unterfertigte Kardinal-
Staatssekretär setzt im Auftrage Seiner Heiligkeit durch das vorliegende
Schreiben Ew. Exzellenz davon in Kenntnis mit der Bitte, es dern
Regierung mitteilen zu wollen.“
25. Mai. Folgende offiziöse Mitteilung wird über die Ab-
berufung des Botschafters beim Vatikan veröffentlicht:
Da die Regierung die Gewißheit erlangt hat, daß die päpstliche
Note, die eine Pariser Zeitung am 17. Mai veröffentlichte, echt ist und an
einige fremde Regierungen gesandt wurde, hat sie die Abberufung ihres
Botschafters beim Heiligen Stuhl beschlossen. Herr Nisard hat Rom Sonn-
abend verlassen und die Abwicklung der Geschäfte dem Botschaftssekretär
de Courcel anvertraut.
27. Mai. (Kammer.) Debatte über die pähpftliche Note.
Die Regierung wird über die Beziehungen zum Vatikan interpelliert.
Menier (radikal) verlangt, daß die Regierung den Protest mit entschie-
denen und unwiderruflichen Maßnahmen beantworte, insbesondere solle die
Botschaft beim Vatikan aufgehoben werden. Lasies (Nat.): Daß die Re-
gierung nur infolge der Veröffentlichung der päpstlichen Note so scharf
vorgehe, werde ein gefährliches Präzedenz schaffen. Derjenige, der dem
Abg. Jaures den Text der Note mitgeteilt habe, sei sicherlich kein Freund
Frankreichs. (Bewegung.) Auf welche Weise sei die Indiskretion, die der
„Humanité“ den Abdruck der Note ermöglichte, begangen worden? Abg.
Allard erklärt die Abberufung für' ungenügend; er erhebt Einspruch gegen
die Schwäche der Regierung und verlangt den endgültigen Abbruch der
diplomatischen Beziehungen zum Vatikan und die Kündigung des Kon-
kordats. Der klerikal-sozialistische Abg. Abbe Gayraud will die Beweg-
gründe der Abberufung des Botschafters und die Absichten der Regierung
kennen lernen. Er behauptet, die Protestnote sei nicht beleidigend für
Frankreich. Der Vatikan sei dazu genötigt gewesen, um den Anschein zu
vermeiden, daß er mit den Ereignissen von 1870 einverstanden sei. Abg.
Ribot (progressistischer Republikaner) bedauert, daß man den Vatikan nicht
habe wissen lassen, daß in der Reise Loubets keine Beleidigung für den
Vatikan liege.
Minister des Auswärtigen Delcassé: Die Regierung habe den
Protest des Papstes gegen die Romreise zurückgewiesen; als dann bekannt
geworden sei, daß der Papst einen Protest an die übrigen katholischen
Mächte gerichtet habe, habe die Regierung Erklärung darüber gefordert.
Da der Vatikan einer Antwort auswich, sei der französische Botschafter
abberufen worden. Ministerpräsident Combes: Durch die Zurückberufung
des Botschafters Nisard wolle Frankreich dem Versuch begegnen, die An-
wesenheit des Botschafters beim Vatikan etwa zu gunsten der Forderungen