Frankreich. (November 14.—Dezember 9.) 253
14. November. Nach dem offiziösen „Matin“ plant die Re-
gierung die friedliche Eroberung Marokkos auf folgende Weise:
„Die französische Regierung wird vor allem das erschütterte Ansehen
des Sultans Abdul Asis zu befestigen trachten und sich sodann bemühen,
aus den untereinander entzweiten Stämmen eine Art förderative Vereini-
gung unter der Souveränität des Sultans zu bilden. In allen Ortschaften
längs der algerischen Grenze werden französische Aerzte und Lehrer ein-
Me# werden, die die Stelle von Beamten versehen und in wirksamer
Weise für den Einfluß Frankreichs tätig sein sollen. Um den Handels-
verkehr zwischen den Stämmen zu erleichtern und zu befestigen, werden
hervorragende Eingeborene als kommerzielle Schiedsrichter eingesetzt werden.
Durch eine Kommission sollen alle Grenzstreitigkeiten geregelt werden. Im
Innern des Landes werden durch französische Geldmittel Straßen, Brücken,
Krankenhäuser und Schulen errichtet werden. Ein in arabischer Sprache
erscheinendes Blatt macht bereits jetzt für diesen Plan Frankreichs Pro-
paganda.
15. November. Kriegsminister Andre tritt zurück, sein Nach-
folger wird der Börsenmakler Dep. Berteaux (Soz.).
Ende November. Anfang Dezember. Rundschreiben über
Auskünfte.
Ministerpräsident Combes richtet ein Rundschreiben an die Prä-
fekten Fihichtüch der politischen Richtung, welche sie den Beamten nahe-
legen sollen. In dem Rundschreiben heißt es, angesichts der unaufhör-
lichen Ausfälle der Opposition gegen die Republik müßten alle diejenigen,
welche irgend eine Machtbefugnis besitzen, alle Garantien für ihre Ehren-
haftigkeit, Treue und Hingebung an die Republik bieten. In dem Rund-
schreiben werden sodann die Beamten und Persönlichkeiten namhaft ge-
macht, bei denen die Präfekten Erkundigungen einziehen sollen. Diese Er-
kundigungen sollen den Stempel absoluter Unparteilichkeit tragen und sorg-
sam kontrolliert werden (22. Nopember).
Der Kriegsminister Berteaux richtet an die kommandierenden
Generale ein Rundschreiben, in welchem denselben eingeschärft wird, zur
Wiederherstellung der Eintracht im Heere und zur Beruhigung der Geister
beizutragen. Im Kriegsministerium gebe es keine Auskunftszettel mehr.
Die Hauptsache sei, daß die Offiziere sich nicht durch Aufhetzungen aus
feindlichen Lagern beeinflussen ließen und sich aller Herausforderungen
enthielten (3. Dezember).
2. Dezember. (Kammer.) Die Kommission, die die Regie-
rungsvorlage über Trennung von Staat und Kirche zu beraten
hat, genehmigt den Entwurf nach längerer Beratung.
8.9. Dezember. (Kammer.) In einer Besprechung der
Rundschreiben über die Auskünfte, wobei Millerand (Soz.) und
Ribot (Rep.) die Regierung heftig wegen der Angebereien tadeln,
erhält die Regierung mit 295 gegen 265 Stimmen ein Vertrauens-
votum, nachdem bei vorhergehenden Abstimmungen die Mojorität
nur wenige Stimmen betragen hatte.