Italien. (April 7. - Mai 16.) 257
der Kaiserin und der ganzen kaiserlichen Familie sowie der ruhmreichen
deutschen Nation.
Der Kaiser erwidert in deutscher Sprache: Wenn auch, um von
sorer Arbeit auszuruhen, Mein Weg Mich an die herrlichen Gestade des
chönen Vaterlandes Ew. Majestät geführt hat, so folge Ich dabei doch
auch zu gleicher Zeit dem Zuge Meines Herzens, welches Mich, wie alle
Meine Landsleute, immer wieder zu dem gastfreien, sympathischen italie-
nischen Volke zurückführt. Ich habe heute die Ehre, zum ersten Male
Ew. Majestät auf dem Boden eines deutschen Kriegsschiffes zu begrüßen,
und Ich tue das mit einem Herzen voll Dank für den schönen und herz-
lichen Willkomm, den Ew. Majestät Mir soeben ausgedrückt haben. Der
Dreibundgedanke ist fest und sicher in die Seelen von Ew. Majestät Unter-
tanen eingegraben. Der Bund, den unsere erlauchten Vorfahren mit dem
erhabenen Haupte des Hauses Habsburg geschlossen haben, ist zum Segen
für unsere beiden Völker, für die Völker des Dreibundes und für ganz
Europa geworden, unter dessen Schutz sich die Nationen in fortschreitender,
friedlicher Entwickelung befunden haben, und von der Wir auch hier in
der schönen Stadt Neapel herrlichste Zeugnisse sehen. Fest Meinen über-
nommenen Verpflichtungen entsprechend, bitte Jch nunmehr Ew. Majestät,
angesichts der stolzen italienischen Flotte, deren Flagge mit der unserigen
gemeinsam weht, und angesichts des herrlichen Golfes, dessen Gestade von
einem poetischen Hauch, von der Poesie und der Geschichte umwoben sind,
das Glas erheben und auf Ew. Majestät Wohl leeren zu dürfen. Bevo
alla salute della sua Maesta il Rege la Regina, dell esercito e della
flotta tanto bravi e del popolo Italiano tanto simpatico. (Ich trinke auf
das Wohl Sr. Majestät des Konigs und der Königin, der so tapferen Armee
und Flotte und des sympathischen italienischen Volkes.)
Am 27. wechseln die Monarchen warme Begrüßungstelegramme;
die Kammer faßt einen Huldigungsbeschluß für den Kaiser.
Die Presse sieht im allgemeinen in der Zusammenkunft einen Be-
weis, daß der Dreibund trotz des bevorstehenden Besuchs Loubets in Rom
unerschüttert sei. Die französische konservative Presse greift deshalb die
französische Regierung an, daß sie sich den Papst entfremde, ohne die
Bundesgenossenschaft Italiens zu gewinnen.
7. April. (Bologna.) Auf dem Parteitag der italienischen
Sozialdemokratie bleibt die radikale Richtung in der Minderheit.
9. April. (Abbazia.) Der Minister des Auswärtigen Tit-
toni hat eine Zusammenkunft mit dem österreichisch-ungarischen
Minister des Auswärtigen Graf Goluchowski.
24. April. (Rom.) Ankunft des Präsidenten Loubet und
des französischen Ministers des Auswärtigen Delcaffé.
27. April. (Venedig.) Der Deutsche Kaiser beendet seine
Mittelmeerfahrt und reist nach Deutschland.
29. April. (Neapel.) Der König und Präsident Loubet
nehmen an einer großen Flottenparade teil.
16. Mai. (Cerignola.) Infolge der Agitation für den
Achtstundentag kommt es zu Unruhen unter der Landbevölkerung,
so daß Militär einschreiten muß.
Europäischer Geschichtskalender. IIV. 17