Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zwanzigster Jahrgang. 1904. (45)

266 Hie R#mische Kurie. (Mai 20.—Juli 30.) 
der Natur der Tatsache entsprach, die der heilige Stuhl als eine sehr 
schwere Beleidigung seiner Würde und Rechte betrachtete. Daher richtete 
der heilige Stuhyl an die französische Regierung einen förmlichen Protest 
gegen die ihm zugefügte Beleidigung. Gleichzeitig hat er in ähnlichen 
Ausdrücken durch die Vermittlung seiner Vertreter im Auslande den obigen 
Protest den Regierungen aller Staaten mitgeteilt, mit denen er sich in 
unmittelbaren Beziehungen befindet.“ 
20. Mai. Der „Osservatore Romano“ schreibt über die Auf- 
nahme der päpstlichen Protestnote gegen Loubets Besuch in der 
Offentlichkeit: 
„Die Presse verurteile meist den Schritt des Vatikans, als ob dieser 
sich in die Politik der beiden Länder habe einmischen und die in ihren Be- 
jiehungen entstandene Besserung mißbilligen wollen. Der Papst habe 
eineswegs gegen die französisch-italienische Annäherung protestiert; er 
nehme vielmehr mit Genugtuung alles wahr, was die Verbrüderung der 
Völker begünstige und namentlich alles, was zum Wohle Italiens beitragen 
könne. Wenn nach dieser Annäherung der Präsident Loubet den König 
Viktor Emanuel in irgend einer anderen Stadt Italiens besucht hätte, 
würde der Heilige Stuhl sicher nichts gesagt haben. Andererseits konnte 
er aber nicht stillschweigend dulden, daß das Oberhaupt eines katholischen 
Volkes, insbesondere Frankreichs, durch seinen amtlichen feierlichen Besuch 
in einem apostolischen Palaste die Vorgänge von 1870 billige und auch 
das Recht des Papstes verletze. Das Blatt fragt: Was würde die fran- 
zösische Presse sagen, wenn der Krieg von 1870 ohne Friedensvertrag oder 
ohne einen modus vivendi zwischen den kriegführenden Mächten beendet 
worden wäre und das Oberhaupt einer befreundeten Nation ungeachtet 
dieses Zustandes dem Deutschen Kaiser in Elsaß-Lothringen einen Besuch 
machte? Der Osservatore erinnert daran, daß, als ein dieser Hypothese 
etwa entsprechender Vorgang sich bei deutschen Manövern bei Metz zu- 
getragen habe, die französische Presse nicht gezögert habe, ihre Stimme zu 
erheben.“ 
24. Mai. Der „Osservatore Romano“" schreibt über den Plan 
einer deutschen Schule in Rom: 
„Die kirchlichen Behörden in Rom mußten der Schule ihre Unter- 
stützung versagen, weil sie zwar an Orten mit interkonfessioneller Bevölke- 
rung, aber nicht in Rom eine paritätische Schule dulden könnten. Die 
katholische deutsche Schule wird von den Episkopaten Deutschlands und 
Deutsch--Oesterreichs unterhalten werden. Wie weiter verlautet, hat Kar- 
dinal Fischer bei seiner letzten Anwesenheit in Rom einen hohen Zuschuß 
versprochen. Denjenigen katholischen Eltern, welche dem sogenannten 
deutschen Schulverein beigetreten sind, wird es zur Gewissenspflicht gemacht 
werden, ihre Kinder in die katholische Schule zu senden.“ 
30. Juli. Der „Osservatore Romano“ schreibt über den 
Bruch mit Frankreich (S. 247): 
„Die französische Regierung hat in der Tatsache, daß einige autori- 
sierte Mitteilungen des Papstes, die lediglich disziplinarer Natur sind, an 
einige französische Bischöfe gerichtet wurden, eine Verletzung des Konkordats 
erblicken zu müssen geglaubt; daher hat die französische Regierung be- 
schlossen, den offiziellen Lekiehungen zum Heiligen Stuhle ein Ende zu 
setzen und heute morgen den Kardinal-Staatssekretär von diesem Beschluß 
in Kenntnis gesetzt.“ 
 
	        
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