Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zwanzigster Jahrgang. 1904. (45)

272 Liederlande. (Februar 13. —22.) 
XI. 
Niederlande. 
13. Februar. Es wird ein Vertrag mit Dänemark abgeschlossen, 
Streitigkeiten dem Haager Schiedsgericht zu unterbreiten. Private 
Forderungen gegen einen Staat werden auf den Prozeßweg ver- 
wiesen. 
18. Februar bis Ende Juni. (Amsterdam.) Streik in der 
Diamantschleiferindustrie. Die Arbeiter setzen die 9½¼stündige 
Arbeitszeit und eine 10prozentige Lohnerhöhung durch. 
22. Februar. (Haag.) Das Schiedsgericht fällt die Ent- 
scheidung in der Venezuelafrage (vgl. 1903 Übersicht). 
Es entscheidet einstimmig, daß den drei Blockademächten Deutsch- 
land, England und Italien das Vorzugsrecht auf 30 Prozent der Zölle 
von La Guayra und Puerto Cabello zusteht. Jede Partei wird die Kosten 
tragen, die ihr selbst aus dem Verfahren entstanden sind, und mit den 
anderen Parteien zu gleichen Teilen die eigentlichen Schiedsgerichtskosten 
übernehmen. Der Schiedsspruch zieht in Erwägung: 1. daß der Gerichts- 
hof sich binden mußte an die Grundsätze des Völkerrechts und die Lehren 
der Justiz; 2. daß die zu Washington seit dem 13. Februar 1903 unter- 
geichneten Protokolle, namentlich dasjenige vom 7. Mai, dessen bindende 
raft nicht in Zweifel gezogen werden kann, die loyale Grundlage des 
Spruchs zu bilden hatten; 3. daß der Gerichtshof nicht kompetent war, 
diese Rechtsprechung der gemischten Kommissionen in Caracas oder die 
Natur der militärischen Operationen der Blockademächte gegen Venezuela 
anzufechten, und daß er nicht die Aufgabe hatte, zu entscheiden, ob von 
den drei Mächten alle friedlichen Mittel, um die Anwendung von Gewalt 
zu verhindern erschöpft waren; 4. daß der Gerichtshof lediglich feststellen 
onnte, daß Venezuela den seit 1901 ihm wiederholt angebotenen schieds- 
gerichtlichen Vergleich mit Deutschland und Großbritannien abgelehnt hatte; 
5. daß nach dem Kriege kein Friedensvertrag abgeschlossen wurde, aber die 
kriegerischen Maßnahmen seitens der Blockademächte eingestellt worden 
waren, bevor dieselben die Befriedigung aller ihrer Forderungen erlangt 
hatten, und daß andererseits die Frage der Vorzugsbehandlung dem 
Schiedsgerichte unterbreitet worden war. Der Gerichtshof muß in diesen 
Tatsachen kostbare Beweise zu Gunsten des großen Schiedsgerichtsprinzips 
in allen Phasen internationaler Konflikte erkennen. 
Die Blockademächte konnten mit ihrer Zustimmung dem Proto- 
koll nicht die Absicht haben, auf ihre erworbenen Rechte oder bevorzugte 
Stellung zu verzichten. In der Tat erkannte die Regierung Venezue 
selbst im Prinzip an, daß jene Forderungen wohl begründet waren, Lig. 
aber diejenigen der Friedensmächte. Bis Ende Januar 1903 erhob sie 
auch keinerlei Einwendung gegen den Anspruch der Blockademächte auf 
Vorzugsbehandlung. Venezuela machte vielmehr während der diplomati- 
schen Verhandlungen immer einen Unterschied zwischen den drei Verbün- 
eten und neutralen Mächten, die auch ihrerseits keinen Einspruch erhoben 
atten gegen die Inanspruchnahme der Vorzugsbehandlung seitens der 
lockademächte, und zwar weder beim Aufhören des Krieges, noch un- 
mittelbar nach der Unterzeichnung der Protokolle vom 13. Februar 1903. 
  
  
  
  
 
	        
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