Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zwanzigster Jahrgang. 1904. (45)

Kiederlande. (März 1. — April 18.) 273 
Die venezolanische Regierung hat sich nur mit Rücksicht auf die verbün- 
deten Mächte dazu verstanden, besondere Garantien zu leisten für die Er- 
füllung der Verpflichtungen, die sie bona fide übernommen hatte. Es 
mußte festgestellt werden, daß die Worte McClaims, die von dem Ver- 
treter Venezuelas in seinen Besprechungen mit dem Vertreter der verbün- 
deten Mächte gebraucht wurden, sich nur auf letztere beziehen konnten; 
andernfalls würden die neutralen Mächte in irgend einer Weise aus den 
durch die kriegerischen Operationen geschaffenen Umständen Vorteile ziehen 
können. Sie erreichen keine neuen Rechte, aber es bleiben die von ihnen 
früher erreichten Rechte durchaus unberührt. Die vereinigten Staaten 
werden damit beauftragt, die Ausführung der Bestimmung bezüglich der 
Kosten zu überwachen. 
1. März. Der neue Zolltarif wird vorgelegt. 
Er läßt die Rohstoffe der Industrie und des Ackerbaues zollfrei, 
legt auf Halbfabrikate einen mäßigen Zoll und auf fertige Fabrikate einen 
Wertzoll von 6 bis 12 Prozent. Die Regierung nimmt das Recht für sich 
in Anspruch, die Zölle als Wiedervergeltung zu erhöhen, wenn nieder- 
ländische Produkte im Auslande anders behandelt werden sollten als die 
der übrigen Länder. Der Ertrag aus den Zöllen des neuen Tarifes wird 
auf zwanzig Millionen geschätzt, was gegenüber den jetzigen Zolleinnahmen 
ein Mehr von jährlich neun Millionen bedeuten würde. Beibehalten wird 
die zollfreie Einfuhr auf Getreide, land= und gartenwirtschaftliche Produkte, 
einschließlich Mehl, Wein in Fässern und Kaffee, auf letzteren, um eine 
Verlegung des Kaffeemarktes nach Antwerpen zu verhindern. Erhöht 
werden die Zölle auf Parfümerien, fertige Kleidungsstücke, Spielkarten und 
Wein in Flaschen. Herabgesetzt werden die Zölle auf Papier, Stiche, 
Photographien und Tabak in Rollen, der Zoll auf Tabak wird auf 2.50 
Gulden für 100 Kilogramm, der auf Zigarren auf 6 Gulden für das 
Tausend festgesetzt. 
24. März. (Zweite Kammer.) Anerkennung der freien 
konfessionellen Universitäten. 
Die Kammer genehmigt mit 56 gegen 41 Stimmen das Gesetz be- 
treffend den höheren Unterricht, nach welchem den Privatuniversitäten 
dieselben Rechte zur Ausstellung von Diplomen für Aemter und sonstige 
Anstellungen gegeben werden, wie den staatlichen Universitäten, und zwar 
unter der Bedingung, daß die Privatuniversitäten drei Fakultäten ent- 
alten, nach 24 Jahren vier, und nach 50 Jahren fünf Fakultäten. Die 
ofessoren bedürfen einer staatlichen Bestätigung nicht, nur wenn der zum 
Professor Ernannte den Doktorgrad nicht erworben hat, muß er vom 
Staate bestätigt werden; von dieser Einschränkung sind jedoch die Pro- 
fessoren der Theologie ausgenommen. Die freien Universitäten werden aus 
der Staatskasse unterhalten. Die Einrichtung solcher Universitäten auf 
konfessioneller Grundlage wird gestattet. — Die Linke stimmt gegen das 
Gesetz, weil sie die Garantien für einen wirklichen wissenschaftlichen Unter- 
richt für ungenügend hält. 
6. April. Die Niederlande und Frankreich schließen ein Ab- 
kommen betreffend Legung eines Kabels zwischen Saigon und Pon- 
tianak an der Westküste von Borneo. 
18. April. Der Prinzgemahl wird zum Generalleutnant der 
Europäischer Geschichtskalender. XV. 18 
  
  
  
 
	        
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