Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zwanzigster Jahrgang. 1904. (45)

278 Scweden und VNerweten. (Januar— April.) 
reformvorlage auf Grund des gleichen Stimmrechts eingebracht 
werden soll. 
Januar. (Norwegen.) Brand in Aalesund. — Feier des 
Deutschen Kaisers. 
Am 22. Januar brennt die Stadt Aalesund vollständig nieder, so 
daß 12000 Personen obdachlos werden. Im In- und Auslande werden 
Sammlungen veranstaltet, in Deutschland veranlaßt der Kaiser sofort das 
„Rote Kreuz“ zur Absendung einer Hilfsexpedition auf mehreren Schiffen 
und schickt den großen Kreuzer „Prinz Heinrich" mit Proviant und Sani- 
tätspersonal ab. — Diese schleunige Hilfe in großem Maßstabe ruft in 
Norwegen große Huldigungen für den Kaiser hervor; am 26. feiert ihn 
der Präsident des Storthings in einer Ansprache, am 27. flaggen viele 
öffentliche Gebäude, der König ernennt ihn zum ersten Ritter des neu- 
gestifteten Ordens vom „Norwegischen Löwen". 
30. Januar. (Norwegen.) Protest gegen den Löwenorden. 
Im Storthing beantragt die Linke, das Bedauern auszusprechen, 
daß die Regierung nicht vermocht habe, die Erweiterung des Ordenswesens 
durch die Stiftung des Löwenordens zu verhindern. Das Ordenswesen sei 
unvereinbar mit demokratischen Prinzipien. Sämtliche Redner der Oppo- 
sition betonen, daß sie nicht die Absicht hätten, durch den Antrag in irgend 
einer Weise gegen die Verleihung des Löwenordens an den Deutschen Kaiser 
Stellung zu nehmen. Ministerpräsident Hagerup: Die Regierung billige 
die Ordensgründung und übernehme die Verantwortung dafür. Sodann 
wird ein Antrag, diese Angelegenheit könne zu keinem Beschluß des Stor- 
thing Anlaß geben, mit 62 gegen 54 Stimmen angenommen. 
9. Februar. (Schweden.) Anderung des Wahlrechts. 
Nach einem Entwurf der Regierung soll bei den Wahlen zur zweiten 
Kammer jeder mindestens fünfundzwanzigjährige Mann wahlberechtigt sein, 
der in den letzten drei Jahren Staatssteuern und Gemeindesteuern bezahlte 
und der Militärpflicht genügte. Die Wahlen finden nach dem Proportional- 
system statt. Der Sozialist Branting stellt dazu einen Antrag auf Ein- 
führung des allgemeinen Wahlrechts für jede unbescholtene männliche Per- 
son, die das 21. Lebensjahr erreicht hat und keine Armenunterstützung be- 
zieht. Branting beantragt ferner, daß die Regierung in der nächsten 
Reichstagssession in Verbindung mit der Einführung des allgemeinen Wahl- 
rechts eine Vorlage einbringe, nach der die ungleiche Behandlung von 
Stadt und Land bei den Wahlen aufgehoben und das ganze Land in neue 
Wahlkreise eingeteilt werden soll. In jedem Wahlkreise soll nur ein Ab- 
geordneter gewählt werden; die absolute Majorität soll entscheiden. 
16. März. (Schweden.) Der Reichstag genehmigt die Vor- 
lage über den Anschluß Schwedens an die Berner Konvention zum 
Schutze des literarischen und künstlerischen Eigentums. 
März. April. Beschluß über Regelung eines schwedisch- 
norwegischen Grenzstreites. 
Der Kronprinzregent genehmigt einen Beschluß des Kronrats, daß 
die Feststellung der streitigen Grenzlinie zwischen dem Ide-Fiord und den 
Grisebodar-Inseln durch eine aus Mitgliedern beider Nationalitäten zu- 
sammengesetzte Vermessungs-Kommission bewirkt werden soll. Im Falle 
die letztere sich außer stande zeigt, ihrer Aufgabe im Sinne einer friedlichen 
 
	        
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