Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Februar 5. —10.) 21
an die Standesherren und die geistlichen Würdenträger. Die Kommission
war der Meinung, daß auch die Gesamtzahl der Mitglieder der Ersten
Kammer in ein festes Verhältnis zu der Zahl der Mitglieder der Zweiten
Kammer gesetzt und auf die Hälfte beschränkt werden sollte. Für die Städte
mit mehr als einem Abgeordneten wurde die Einführung von Proportional-
wahlen von der Kommission überwiegend für diskutabel angesehen. Im
Falle der Einführung von Bezirkswahlen in den Städten wurde die Ein-
teilung der Wahlkreise durch Gesetz sowie durch landesherrliche Verordnung
für empfehlenswert erachtet. Gebilligt wurde der Gedanke des § 61 des
Wahlgesetzentwurfes, wonach im zweiten Wahlgang die relative Mehrheit
genügen solle. Bedenken wurden dagegen mehrfach gegen die Zulassung
neuer Kandidaten im zweiten Wahlgange erhoben. Eine Anregung, die
relative Stimmenmehrheit schon im ersten Wahlgang entscheiden zu lassen,
fand nur schwachen Anklang. Die Kommission hat beschlossen, über die
in der Generaldiskussion hervorgetretenen Punkte eine Aussprache mit der
großherzoglichen Regierung herbeizuführen, die tunlichst bald erfolgen soll.
5. Februar. (Berlin.) Der Kaiser hält an eine nach Süd-
westafrika bestimmte Truppe folgende Ansprache:
„Es freut Mich, daß ihr euch so zahlreich und opferwillig für die
schwere Aufgabe bereit erklärt habt, die euer harrt. Ich habe euch hinaus-
schicken müssen, damit ihr Ruhe und Ordnung in unserem Schutzgebiete
in Südwestafrika wiederherstellt. Wenn auch bessere Nachrichten eingetroffen
sind, so bleibt für euch doch noch ernste Arbeit zu tun übrig. Durch das
heldenhafte Verhalten der dortigen Truppen sind Erfolge erkämpft worden,
und Ich erwarte von euch, daß ihr euern Kameraden nachtut. Eure Auf-
gabe ist aber nicht nur die, zu kämpfen, sondern, wenn die Ruhe wieder-
hergestellt ist, zu trösten und wieder aufzurichten. Haltet treu zu den
Deutschen da draußen und lindert ihren Schmerz. Tut eure Pflicht tapfer,
selbstlos und hingebend. Ich wünsche euch allen ein herzliches Lebewohl.
Adieu!“
5. Februar. (Reichstag.) Die Budgetkommission lehnt die
von der Regierung geforderte Vermehrung der Unteroffiziere um
840 Mann ab. Die Frage soll bei dem neuen Militärgesetz im
nächsten Jahre geregelt werden. Kriegsminister v. Einem hatte in
der Begründung darauf hingewiesen, daß durch die Entlastung der
Unteroffiziere die Soldatenmißhandlungen vermindert werden würden.
8. Februar. Das Preußische Abgeordnetenhaus ver-
weist zwei Vorlagen über die Regelung der Richtergehälter und
über die Dienstaufficht bei den größeren Amtsgerichten an eine
Kommission.
9. Februar. (Reichstag.) Die Budgetkommission bewilligt
die Erhöhung der Unteroffiziergehälter.
10. Februar. (Preußisches Abgeordnetenhaus.) Antrag
auf Bestrafung des Kontraktbruchs ländlicher Arbeiter.
Abg. Arendt (srk.) stellt folgenden Antrag: „Die Staatsregierung
aufzufordern, dem Landtage noch in dieser Session einen Gesetzentwurf
vorzulegen dahin 1. daß auch derjenige Arbeitgeber bestraft wird, welcher