Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zwanzigster Jahrgang. 1904. (45)

288 Anfland. (Mai 9.—Juni 16.) 
schen Operationen zwischen Rußland und Japan zur Feststellung der 
Friedensbedingungen erfolgen werden. 
9. Mai. (Petersburg.) Geheimrat v. Pleske, früher Ver- 
walter des Finanzministeriums, f. (Vagl. 1903.) 
Mai. Nach Zeitungsnachrichten sind in der Kassenverwal- 
tung des Roten Kreuzes Unterschlagungen von mehreren Millionen 
entdeckt. 
Mai. Es gehen Nachrichten über Attentate gegen die Festungs- 
werke und die Flotte in Kronstadt durch die Presse. 
18. Mai. Urteil über die Kischinewer Exzesse (1903 S. 336). 
Wegen der Ausschreitungen gegen die Juden werden zwei Angeklagte 
wegen Straßenunruhen zu acht Monaten Gefängnis und Verlust einiger 
Rechte, zwei Angeklagte wegen schwerer Verletzungen an Juden zu einem 
Jahr schwerer Haft, und zwei wegen Mordes zu vier Jahren Zwangsarbeit 
verurteilt. Sechs des Mordes Angeklagte werden freigesprochen. Die 
Zivilforderungen werden als unbegründet zurückgewiesen. 
31. Mai. Baltische Küstenverteidigung. 
Um die Maßnahmen zur Verteidigung der Küsten des baltischen 
Meeres entsprechend der Kriegszeit einheitlich zu gestalten, überträgt ein 
Ukas dem Oberkommandeur des Hafens von Kronstadt die Oberleitung 
über die Häfen von Reval, Sveaborg und Libau und über die Seestreit- 
kräfte des baltischen Meeres unter Ernennung zum Oberkommandierenden 
der Flotte und der Häfen, sowie zum Chef der Verteidigung des genannten 
eeres. 
16. Juni. (Finnland.) Ermordung des Generalgouverneurs 
Bobrikow. 
Der Senatsbeamte Schaumann, Sohn eines Senators, erschießt den 
Generalgouverneur und tötet sich selbst. Ueber die Motive der Tat hinter- 
läßt er solgendes Schreiben an den Zaren: „Ew. Majestät! Mit Hilfe des 
Prokurators und des Senates Ew. Majestät für Finnland, welche ohne 
Rücksicht auf Recht und Gesetz dem Befehl des Generals Bobrikow blind 
gehorchen, ist es dem Generalgouverneur Bobrikow gelungen, eine voll- 
ständige Verwirrung und Rechtlosigkeit hier im Lande zu schaffen. Durch 
Lügen und falsche Darstellungen ist es dem Generalgouverneur und dem 
Minister v. Plehwe gelungen, Ew. Majestät zu bewegen, Verordnungen zu 
erlassen und Beschlüsse zu fassen, welche den Gesetzen widerstreiten, die Ew. 
Majestät bei der Thronbesteigung fest und unverbrüchlich zu wahren ver- 
sprachen. Die treuesten und kundigsten Beamten des Landes werden ohne 
gesetzmäßige Untersuchung und Urteil abgesetzt. An deren Stelle werden 
unwissende Glücksjäger und heruntergekommene Individuen ernannt, sowie 
Personen, die nach den Gesetzen des Landes zur Bekleidung von Staats- 
ämtern unberechtigt sind. Die intelligentesten und treuesten Bürger werden 
verhaftet und verbannt. Die Sicherheit der persönlichen Freiheit existiert 
nicht mehr. Da der Minister, welcher Ew. Majestät die das Großfürsten- 
tum Finnland betreffenden Angelegenheiten vorzutragen hat, kein Finn- 
länder und mit den Sitten und Gesetzen des Landes nicht vertraut ist, und 
da er mit dem General Bobrikow gemeinsame Interessen hat, so bekommen 
Ew. Majestät nicht zu wissen, weder wie der wirkliche Zustand ist, noch 
was die Landesgesetze gebieten. Da keine Aussicht vorhanden ist, daß 
 
	        
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