Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zwanzigster Jahrgang. 1904. (45)

304 Tũrkei. (März 13. — April 9.) 
13. März. (Saloniki.) Die Neuorganisation der Polizei 
für den Vilajet Saloniki tritt in Kraft. 
Die Stadt wird in verschiedene Polizeibezirke eingeteilt, wovon ein 
jeder einen Polizeiposten mit einem Kommissar und mehreren Polizisten 
besitzt. Außerdem soll an einer jeden wichtigen Straßenecke ein Polizist 
postiert werden. Die ganze Provinz wird ein Polizistenkorps von 260 Mann 
mit einem Polizeidirektor an der Spitze erhalten; hiervon kommen auf die 
Stadt Saloniki 134 Mann. Der Reorganisationsausschuß hat die bereits 
in Dienst befindlichen polizeilichen Organe in betreff auf ihr Vorleben einer 
Untersuchung unterworfen, infolge deren 17 Kommissare und 32 Gemeine 
aus dem Dienst entlassen wurden. 
Anfang April. Im Vilajet Kossowo richtet ein Erdbeben 
große Verheerungen an. 
9. April. (Konstantinopel.) Die Pforte und Bulgarien 
schließen folgendes Abkommen über Makedonien: 
Das Fürstentum Bulgarien verpflichtet sich, die Bildung revolu- 
tionärer Komitees und bewaffneter Banden in seinen Provinzen zu ver- 
bieten und zu verhindern; ebenso mit der ganzen Strenge der bulgarischen 
Gesetze jene zu bestrafen, die nach Verübung aufrührerischer Handlungen 
in den benachbarten türkischen Provinzen sich nach dem südlichen oder nörd- 
lichen Bulgarien flüchten. Bulgarien wird die Ausfuhr von Sprengstoffen, 
Giften und gesundheitsschädlichen Erzeugnissen in die benachbarten türkischen 
Vilajets verhindern. Wie es in dem Vertrage bestimmt ist, wird den 
Türken im nördlichen und südlichen Bulgarien die freie Religionsübung 
gestattet. Im Falle einer Vakanz der Muftistellen in Sofia oder an anderen 
Orten wird der Scheikh-ül-Islam in Konstantinopel von der Wahl eines 
neuen Muftis verständigt werden. Die nach der Entente zwischen Ruß- 
land und Oesterreich-Ungarn für die Vilajets Saloniki, Monastir und Sofia 
(Uesküb) bereits angeordneten Reformen müssen eingeführt werden. Ebenso 
muß die allgemeine Amnestie, die der Sultan in seiner großen Milde be- 
fohlen hat, vollkommen ausgeführt werden. Alle jene Personen, die bis 
jetzt mittelbar oder unmittelbar in die Aufstandsbewegung verwickelt und 
als verdächtig verbannt oder für politische Delikte verurteilt worden sind, 
werden begnadigt werden. Ausgeschlossen sind jene, welche sich des Dyna- 
mits zur Zerstörung von Dampfschiffen, Brücken, Eisenbahnen und öffent- 
lichen Gebäuden bedient haben und bereits abgeurteilt wurden. Die 
Christen, die sich aus der Türkei nach Bulgarien geflüchtet haben und 
deren Besitztum gelitten hat, werden bei ihrer Rückkehr in die Heimat von 
den türkischen Behörden bei dem Wiederaufbau ihrer Häuser unterstützt 
werden und ihren Grundbesitz zurückerhalten. Ein Spezialabkommen wird 
wegen Auslieferung der Verbrecher und gewöhnlichen Deserteure getroffen 
werden, die sich aus der Türkei nach Bulgarien flüchten und umgekehrt. 
Um Briganten und Banden an Grenzüberschreitungen zu verhindern, 
werden seitens der türkischen und der bulgarischen Regierung an der 
Grenze gemischte Zivil- und Militärfunktionäre bestellt werden. Zugleich 
wird eine Kommission zur Regelung der beiderseits schwebenden Fragen 
gebildet werden und sofort ihre Arbeiten beginnen. Die unlängst gegen 
die Sendungen aus Bulgarien verfügten Zollmaßnahmen werden zurück- 
genommen und durch die früheren Bestimmungen ersetzt. Die Grenz- 
sicherheit muß verstärkt werden. Der Eisenbahnverkehr muß unbehindert 
sein, und es wird den mit gültigen Papieren versehenen Bulgaren, die in
	        
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