Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zwanzigster Jahrgang. 1904. (45)

24 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Februar 15. 16.) 
verteilt worden. Der Bund ist bei den Reichstagswahlen in 174, bei den 
preußischen Landtagswahlen in 260 Wahlkreisen in Tätigkeit getreten. In 
55 Reichstagswahlkreisen mußte der Bund eigene Kandidaten aufstellen, 
da die ihm von den politischen Parteien präsentierten Kandidaten wegen 
ihrer wirtschaftlichen Stellung nicht unterstützt werden konnten. Von den 
vom Bund unterstützten Kandidaten sind 89 gewählt worden. 
Bundesvorsitzender Dr. Rösicke: Die oft aufgestellte Behauptung, daß 
der Bund bei den Reichstagswahlen geschlagen sei, sei irrig, der Bund könne 
vielmehr mit den Wahlen zufrieden sein, denn der jetzige Reichstag sei 
agrarischer als der frühere. Von der Regierung müsse man jetzt außer 
Maßregeln zu gunsten der Landwirtschaft ein energisches Vorgehen gegen 
die Sozialdemokratie verlangen, die Worte des Grafen Bülow allein nützten 
nichts. Abg. Graf Reventlow fordert höhere Besteuerung der Börse 
und polemisiert gegen den Getreideterminhandel. Abg. Dr. Diedrich Hahn 
tadelt die Wirtschaftspolitik als Fortsetzung der Caprivischen und fordert 
bessere Handelsverträge. — Folgende Anträge werden einstimmig ange- 
nommen: 
Die elfte Generalversammlung des Bundes der Landwirte erklärt, 
daß der Bund, entsprechend den Beschlussen der dritten Generalversamm- 
lung vom 18. Februar 1896, nach wie vor auf dem Standpunkte der Not- 
wendigkeit eines ausreichenden Schutzes aller Produktivstände auf dem in- 
ländischen Markte steht. Auch die Zukunft der deutschen Industrie liegt 
nach unserer Meinung nicht in einem gefährdeten, durch schwere Opfer 
anderer Erwerbsstände zu erkaufenden Export, sondern in erster Linie in 
der Stärkung des Inlandsmarktes, auf dem sie schon jetzt vier Fünftel 
ihrer Produktion absetzt. Nur durch eine Neuregelung Leserer wirtschaft- 
lichen Beziehungen zum Auslande unter Beseitigung der reinen Meist- 
begünstigungsverträge kann eine dauernde Gesundung unserer wirtschaft- 
lichen und damit unserer sozialen Verhältnisse herbeigeführt werden. Die 
Fortdauer der jetzt geltenden Handelsverträge, deren unheilvolle Wirkung 
auf die deutsche Landwirtschaft allgemein zugestanden wird, legt der deutschen 
Landwirtschaft fortgesetzt die schwersten Verluste auf; wir halten deshalb 
ihre unverzügliche Kündigung für unbedingt notwendig. Ein weiteres An- 
dauern der gegenwärtigen Verhältnisse halten wir für unheilvoller für das 
deutsche Vaterland als einen etwaigen kurzen vertragslosen Zustand, dem 
das Ausland bei seinem überwiegenden Interesse am deutschen Markte durch 
Entgegenkommen ein baldiges Ende bereiten würde. 
Wir halten eine Börsenreform für unannehmbar, wenn dieselbe 
nicht enthält: a) Beibehaltung des Börsenregisters; b) Bestrafung des Ab- 
schlusses nicht zugelassener Börsengeschäfte für alle Beteiligten; c) Deklara- 
tionszwang dahin, daß jeder Schlußschein registriert wird; d) Verschärfung 
der staatlichen Beaufsichtigung; e) keine Herabsetzung der Stempelsteuer. 
15. Februar. Reichstagswahl. 
Bei der Ersatzwohr in Eschwege-Schmalkalden erhält v. Christen (RP.) 
3519, Hugo (Soz.) 5837, Merten (fr. Vp.) 4089, Raab (Antis.) 4552 Stimmen. 
Bei der Stichwahl am 1. März erhält Raab 10023, Hugo 7556 Stimmen. 
— Die freisinnige Parteileitung hatte für die Stichwahl keine Parole aus- 
gegeben, die übrigen die Wahl Raabs empfohlen. 
15./16. Februar. (Reichstag.) Vertretung der deutschen Kunst 
bei der Weltausstellung in St. Louis. — Presse. 
Bei der Beratung des Reichszuschusses für die Beteiligung an der 
Weltausstellung wird eine Neuforderung von 20000 Mark für das Ordi-
	        
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