384 NMebersicht der volitischen Entwicelung des Jahres 1904.
ungenaue Berichte vorliegen. Anscheinend hat sich namentlich in
Argentinien die Unruhe ausgebreitet.
Der junge australische Bundesstaat hat einen doppelten
Ministerwechsel erlebt. Das konservative Ministerium Deakin ver-
fügte über keine feste Majorität, da das Unterhaus aus ungefähr
drei gleich großen Gruppen (Konservativen, Liberalen, Arbeiter-
partei) besteht. Bei einer Abstimmung über die Einführung obli-
gatorischer Schiedsgerichte blieb es in der Minderheit und mußte
die Regierung einem Arbeiterministerium abtreten. Diese Arbeiter-
partei vertritt im wesentlichen eine Schutzzollpolitik, um eine austra-
lische Industrie zu schaffen, ferner bekämpft sie im Interesse der
weißen Arbeiter die Einwanderung Farbiger, während die beiden
anderen Parteien meist freihändlerischen Grundsätzen huldigen.
Lange dauerte die Arbeiterregierung nicht; schon nach einigen Mo-
naten mußte es einem liberalen Kabinett Platz machen, da seine
Politik, die Gewerkschaftsarbeiter in den Staatsbetrieben zu bevor-
zugen und zwangsweise eine Arbeiterorganisation einzuführen, nicht
den Beifall der übrigen Parteien hatte.
über Afrika ist noch nachzutragen, daß die Wirren in
Marokko noch nicht beendet sind, und daß der Sultan Versuche
machte, sich vom europäischen Einfluß zu befreien, daß er aber
bald sich den von Frankreich hiergegen erhobenen Vorstellungen
gefügt hat. — Von den Vorgängen in Asien sind noch einige
blutige Kämpfe der Niederländer in ihren Kolonien und der indische
Nationalkongreß in Bombay in den letzten Dezembertagen zu er-
wähnen. Dieser Kongreß, an dem sich mehrere tausend Personen
beteiligten, forderte die Reformierung der Verwaltung durch stärkere
Heranziehung von Eingeborenen, die Hebung des niederen und
höheren Unterrichtswesens, die Bekämpfung des Wuchers und end-
lich die Auflösung des indischen Rats in London, der nutzlos sei
und große Kosten verursache. — In Japan hat die Bevölkerung
die materiellen Lasten mit derselben Opferwilligkeit getragen, die
das Heer in der Schlacht zeigte; welche dauernden Folgen die neuen
Auflagen und der Krieg auf das Wirtschaftsleben ausüben werden,
ist noch unbekannt.