Das Deutsche Reich und seine einzelven Glieder. (März 16.) 57
an den Uebungen teilzunehmen. (Heiterkeit.) Sie können dann an den
Berichten prüfen, wie weit der Orden Jesu hier einwirkt. Unus quisque
bonus praesumitur, donec probatur contrarium! (Beifall im Zentrum.)
Abg. Dr. v. Heydebrand u. D. Lasa (kons.): In der evangelischen
Bevölkerung herrsche das Gefühl, daß die berufenen Stellen die evangeli-
schen Interessen nicht genügend wahrten, weil die regierenden Faktoren
nicht immer genügende Festigkeit gezeigt hätten. Es sei zu viel konzediert
worden; die Zulassung der Marianischen Kongregationen gefährde den
konfessionellen Frieden. In der Jesuitenfrage sagen wir: Bis hierher, aber
nicht weiter! (Beifall rechts.) Herr Porsch stellt die Jesuiten den anderen
Orden gleich, wir Evangelischen sehen aber die Jesuiten doch etwas anders
an. (Zustimmung. Widerspruch im Zentrum.) Wir meinen, daß der Jesuiten-
orden nicht nur dazu gegründet ist, sondern auch die Praxis betreibt, gegen
die evangelische Bevölkerung vorzugehen und in ihre konfessionellen Inter-
essen einzugreifen. Und weil wir dieser Ueberzeugung sind, sind wir sämt-
lich der Meinung, daß wir dagegen protestieren müssen. Die evangelische
Bevölkerung verlangt und erwartet, daß darin nicht weiter gegangen wird,
und sie hat das Recht dazu. (Beifall rechts.)
Ministerpräsident Graf Bülow: Als ich diesen Saal betrat, äußerte
der Abg. Hackenberg die Besorgnis, daß die Regierung auf kirchenpoliti-
schem Gebiete Zugeständnisse machen könne, durch welche die nationale
Weiterentwicklung geschädigt werden könnte. Er sprach von Nachgiebigkeit
gegenüber einer Partei dieses Hauses, gegenüber dem Zentrum, er sprach
von kleinen Geschenken. In der Presse habe ich sogar das Wort Kuh-
handel gelesen. Ich freue mich, daß ich Gelegenheit habe, diese Vorwürfe
einmal von dieser Stelle aus zu beleuchten. Was soll denn das ewige
Geschrei? Ich spreche selbstverständlich nicht von den Herren dieses Hauses
(Heiterkeit); denn die Debatte hier wird zu meiner lebhaften Genugtuung
in einer würdigen Weise geführt; sondern ich spreche von dem Geschrei
außerhalb des Hauses. Was soll das Geschrei von der Nachgiebigkeit gegen-
über dem Zentrum, von der Abhängigkeit der Regierung von dem Zen-
trum, vom Kuhhandel? Wo sind denn die Staatskühe, die ich hinweg-
treiben kann? (Heiterkeit.) Gestatten Sie mir, auf die angeblichen Zu-
geständnisse an das Zentrum einzugehen. Wenn ich dabei auch Fragen
berühren muß, die streng genommen nicht vor das Forum dieses Hauses
gehören, sondern vor das Forum des Reichstages, so tue ich es, um solche
Anklagen nicht unwidersprochen ins Land gehen zu lassen. Man hat mir
als Konzession an das Zentrum das Gesetz zur Sicherung des Wahlgeheim-
nisses vorgeworfen. Diese Forderung war, bevor sie erfüllt wurde, von
keiner Seite sehr ernstlich bekämpft worden. (Widerspruch rechts.) Sie
war eigentlich gestellt und motiviert worden von liberaler Seite und von
niemandem lebhafter als von dem früheren Abg. Dr. Barth, den man
doch nicht für einen heimlichen Föderierten des Zentrums halten wird.
(Große Heiterkeit.) Man hat mir weiter als besondere Konzession an das
Zentrum vorgeworfen die Erhöhung des Zolls auf Malzgerste. (Heiterkeit
im Zentrum.) Wenn es Sie interessiert, so will ich Ihnen verraten, daß
die erste Anregung zu einer Unterscheidung von Malz- und Futtergerste
von einem liberalen Abgeordneten an mich herangetragen worden ist.
Weiter der Fall Spahn! Herr Dr. Martin Spahn ist für seinen Posten
durchaus qualifiziert. Die Berufung eines katholischen Gelehrten auf den
neu gebildeten Lehrstuhl für Geschichte in Straßburg und die katholische
Fakultät in Straßburg haben ja einen breiten Raum in der Diskussion
der letzten Jahre eingenommen. Ich habe schon einmal hier im Hause
nachgewiesen, daß diese beiden Maßnahmen ergriffen wurden im Interesse