58 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 16.)
des Reichsgedankens und daß sie sowohl nach Ansicht des früheren Statt-
halters, als auch des jetzigen Statthalters sehr nützlich gewirkt haben. Die
Aufhebung des § 2 des Jesuitengesetes hat eigentlich zu meiner Ueber-
raschung in den Ausführungen des Abg. Hackenberg einen verhältnismäßig
breiten Raum eingenommen. Ich muß hierauf etwas näher eingehen.
Man hat mir zweierlei vorgeworfen: Einmal, daß ich mich für die Auf-
hebung des § 2 erklärt und eingesetzt habe; und man hat mir zweitens
die Taktik vorgeworfen, die ich in dieser Beziehung eingeschlagen hätte.
Ich wende mich zunächst zu dem letzten Vorwurf, den auch der Abg. Dr.
v. Heydebrand mir gemacht hat. Man hat getadelt, daß ich durch meine
Ankündigung im Reichstage über die Aufhebung des § 2 des Jesuiten-
gesetzes die ganze Frage angerührt hätte, ohne sicher zu sein, daß die
Bundesregierungen meinem Antrage zustimmen würden. Ich will bei dieser
Gelegenheit auch der falschen Behauptung entgegentreten, als ob die Bundes-
regierungen irgendwie darüber verstimmt gewesen wären, daß ich sie von
dieser meiner Ankündigung nicht vorher in Kenntnis gesetzt habe. Was
habe ich denn am 3. Februar vorigen Jahres gesagt? Ich habe gesagt,
daß die Zulassung von Niederlassungen des Ordens der Gesellschaft Jesu
die Zustimmung der verbündeten Regierungen nicht finden würde. Dieser
Standpunkt der verbündeten Regierungen hat sich nicht verändert. Die
verbündeten Regierungen sind auch jetzt noch ohne Ausnahme der Ansicht,
daß die Zulassung von Niederlassungen des Ordens der Gesellschaft Jesu
nicht angängig und nicht möglich sei. An keiner maßgebenden Stelle be-
steht die Absicht, den § 1 des Jesuitengesetzes aufzuheben. Ich habe am
3. Februar weiter gesagt, daß nach meiner Ansicht die konfessionellen Ver-
hältnisse innerhalb des Reiches die Aufrechterhaltung des § 2 nicht mehr
notwendig erscheinen lassen; in diesem Sinne würde ich, soweit ich Einfluß
auf die Instruierung der preußischen Stimmen hätte, Stellung zu dem
vorliegenden Initiativantrag des Reichstags nehmen. Ich habe nur von
meinen persönlichen Ansichten und Absichten gesprochen, ich habe nicht das
Versprechen gegeben, daß der § 2 gleich aufgehoben werden würde. Ich
konnte dieses Versprechen gar nicht abgeben, ich habe nicht einmal ver-
sprochen, daß die preußischen Stimmen in diesem Sinne abgegeben würden,
sondern ich habe mich nur dafür verbürgt, daß ich meinen Einfluß auf
die preußischen Stimmen verwenden würde im Sinne der Aufhebung. Die
Zustimmung des preußischen Staatsministeriums zu gewinnen, ist mir
sogleich gelungen, die Zustimmung der Mehrheit der verbündeten Regie-
rungen zu gewinnen, ist mir erst nach einem Jahr gelungen. Aber nicht
nur waren meine Ansichten selbstverständlich loyal, sondern auch mein Vor-
gehen war ein ganz korrektes. Wenn ich nur von meinen persönlichen
Absichten gesprochen und wenn ich die Bundesregierungen vorher nicht von
meiner Absicht in Kenntnis gesetzt habe, so geschah das aus besonderer
Rücksicht für die Bundesregierungen. In einer so heiklen Angelegenheit
wollte ich die Verantwortung nicht auf andere Schultern schieben, sondern
es den verbündeten Regierungen überlassen, ob sie sich meiner Auffassung
anschließen wollten oder nicht. Ich verrate auch kein Geheimnis, wenn
ich sage, daß die Mehrheit der Bundesregierungen wohl schon früher sich
entschlossen haben würde, für Aufhebung des § 2 einzutreten, wenn nicht
gerade in jenem Augenblicke das Vorgehen des Bischofs von Trier Er-
regung in die protestantischen Kreise getragen hätte, welche ihre Rück-
wirkung auf die protestantischen Regierungen nicht verfehlt haben. Die
Mehrheit der Bundesregierungen war bis vor kurzem deshalb für eine
Aufhebung des § 2 nicht zu haben. Mit dieser Stimmung mußte ich
rechnen. Für meine Person bin ich aber von Anfang an der Ansicht ge-