Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zwanzigster Jahrgang. 1904. (45)

Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (April 28./30.) 75 
28./30. April. (Preußisches Abgeordnetenhaus.) Wasser- 
wirtschaftliche Vorlagen. Überschwemmungsgebiet; Vorflut. 
In der ersten Beratung des Entwurfs über Freihaltung des Ueber- 
schwemmungsgebietes der Waperläufe führt Minister der öffentlichen Ar- 
beiten Budde aus: Die rechtliche Grundlage für die Freihaltung des 
Ueberschwemmungsgebiets sei bisher ungenügend. Es muß die rechtliche 
Möglichkeit gegeben werden, aus dem natürlichen Ueberschwemmungsgebiet 
und den Flußläufen selbst Anlagen zu entfernen, die das Hochwasser stei- 
gern. Nur dann können die berufenen Organe wirkliche Vorkehrungen 
treffen, um die Hochwassergefahr zu beseitigen. Die Gesetzentwürfe, die 
die Verbesserung der Vorflutverhältnisse der Oder, Havel und Spree zum 
Ziel haben, bedürfen wohl keiner besonderen Empfehlung; denn von allen 
Seiten des Hauses wird wohl die Notwendigkeit anerkannt, die Hochwasser- 
gefahr zu beseitigen. Es handelt sich um Mißstände, die teilweise schon 
seit Jahrzehnten schwer empfunden werden. Die Regierung hat auch gegen- 
über diesen schweren Schädigungen keineswegs die Hände in den Schoß 
gelegt, sondern sie ist sich der Verpflichtung bewußt, daß sie zur Beseitigung 
dieser Mißstände mit Nachdruck vorgehen muß. Durch den Allerhöchsten 
Erlaß von 1898 ist auch der Strombauverwaltung die Untersuchung der 
Hochwasserverhältnisse und die Ueberwachung des Hochflutgebiets auf den 
schiffbaren Flüssen auferlegt worden; ebenso hat an den nicht schiffbaren 
Flüssen die Meliorationsverwaltung des landwirtschaftlichen Ministeriums 
für die Aufrechterhaltung der Vorflut zu sorgen. Auch der Allerhöchst ein- 
gesetzte Hochwasserausschuß hat sich mit den Fragen eingehend beschäftigt 
und es für nötig erachtet, einheitliche Pläne aufzustellen, um der Hoch- 
wassergefahr zu begegnen. Die Aufstellung dieser Pläne ist von der Re- 
gierung in die Hand genommen worden, und auf Anregung des Hoch- 
wasserausschusses sind in mehreren Stromgebieten derartige Pläne schon 
ausgearbeitet. An der unteren Weichsel sind Arbeiten gegen das Hoch- 
wasser schon in der Ausführung begriffen. Für die untere Havel und 
Spree sind für die Verbesserung der Vorflutverhältnisse Pläne aufgestellt 
worden. Die Hochwasserverheerungen im vorigen Jahre haben die Not- 
wendigkeit dargetan, mit der Ausführung der Pläne unverzüglich vorzu- 
gehen, und die Verwirklichung der Pläne kann um so schneller ins Werk 
gesetzt werden, als die seit ihrer Aufstellung verflossene Zeit nicht unbenutzt 
vorübergegangen ist. In den letzten Jahren sind Untersuchungen und Vor- 
arbeiten ausgeführt, so daß die Bauten noch mehr beschleunigt werden 
können, als es sonst möglich gewesen wäre. Die sich stets wieder- 
holenden Hochwassergefahren mit ihren schweren Folgen erfordern eine 
baldige Ausführung der vorgeschlagenen Meliorationsarbeiten, und die 
Staatsregierung hofft deshalb zuversichtlich, daß eine baldige Einigung über 
diese Vorlagen gelingen wird; denn wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. 
(Bravo!) 
Abg. v. Löbell (kons.): Die Konservativen seien von den Melio- 
rationsvorlagen befriedigt und würden zu ihnen unabhängig von anderen 
Vorlagen Stellung nehmen. Die Bestimmungen über die Genehmigung 
der Anlagen im Ueberschwemmungsgebiet bedürften einer Prüfung. Abg. 
Schmieding (nl.): Die Nationalliberalen ständen allen wasserwirtschaft- 
lichen Vorlagen freundlich gegenüber; die hohen geforderten Summen dürften 
nicht abschrecken, man könne vielmehr hoffen, daß nunmehr die Verhütung 
von Hochwasser möglich sein werde. Abg. Am Zehnhoff (Z.): Das vor- 
liegende Gesetz sei berechtigt, aber es sei vielleicht geraten, es auf gewisse 
Wasserläufe zu beschränken, denn nicht überall sei das Bedürfnis nach-
	        
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