310 Kra#kreich. (März 3. 7.)
beantragt nun, daß dieser Antrag in das Finanzgesetz eingefügt werde.
Ministerpräsident Rouvier verwirft den Vorschlag als verfassungswidrig.
Es sei ihm nicht möglich, die Verantwortung vor dem Lande zu über-
nehmen, wenn die Kammer einen Antrag annehme, der im In= oder Aus-
lande auch interpretiert werden könne als eine Abschwächung der leben-
digen Kräfte des Landes oder als eine Geringschätzung der militärischen
Frage. (Unruhe.) Die Regierung würde keine Minute mehr im Amte
bleiben, wenn dieser Antrag von der Kammer angenommen werden sollte.
Ungeachtet dieser Erklärung hält Brisson seinen Antrag aufrecht, der nach
weiterer Debatte mit 360 gegen 167 Stimmen abgelehnt wird.
3. März. Der König von England berührt Paris auf der
Durchreise und hat eine Zusammenkunft mit Präsident Fallières.
März. Bei der Durchführung des Trennungsgesetzes wird
an vielen Orten Widerstand geleistet. Mehrfach werden Polizisten
und Truppen von den Bauern mit Gewalt an der Inventar-
aufnahme verhindert.
7. März. (Kammer.) Interpellation über die Unruhen
bei Durchführung des Kirchengesetzes. Sturz des Kabinetts.
Abg. Plichon (Ralliierter) interpelliert wegen des blutigen Zwischen-
falles anläßlich der Inventuraufnahme in Boeschepe, bei der es nach dem
Einschlagen der Kirchentüren durch die Gendarmerie zu einem mit Revolver-
und Gewehrschüssen geführten Kampf im Innern der Kirche kam. Ein
Fleischhauer wurde durch einen Schuß ins Herz sofort getötet, während
mehrere Personen, darunter auch der Pfarrer und der mit der Inventari-
sierung betraute Beamte Verwundungen davontrugen. Plichon erklärt,
das Trennungsgesetz habe statt zur Beruhigung zum Morden geführt.
Abg. Guieyesse (Radikaler) fragt, ob die Regierung es zulassen werde,
daß sich infolge der klerikalen Agitation ein Herd der Beunruhigungen im
Lande bilde. Er verlangt von der Regierung eine bündige Erklärung
darüber, ob sie das Trennungsgesetz allen Agitationen zu Trotz entschlossen
durchführen werde. Abg. Lemire (Rechte) fragt, welche Maßregel die Re-
gierung zu ergreifen gedenke, um die Wiederkehr solcher beklagenswerter
Vorfälle zu verhindern, und tadelt den Minister Dubief, weil er den Be-
amten vorgeschrieben habe, die Inventaraufnahme vor dem 15. März zu
beendigen. Die Beamten seien deshalb vielfach mit unkluger Hast und
Schroffheit zu Werke gegangen. Minister Dubief: Er habe dies getan,
um dem Zustand der Beunruhigung und Erregung ein Ende zu machen.
Nichts habe das blutige Unglück in Boeschope vorhersehen lassen. Wer an
dem todbringenden Schuß die Schuld trage, sei unbekannt. Die Regierung
müsse das Gesetz zur Anwendung bringen. Sie habe mit den Agitationen
nicht gerechnet. Sie werde mit verdoppelter Besonnenheit und Mäßigung
vorgehen. Es könne aber keine Ausfolgung von Kirchenvermögen an die
Kultgenossenschaften erfolgen, solange die Inventare nicht festgestellt seien. —
Die Kammer beschließt, die Rede Dubiefs öffentlich anschlagen zu lassen. —
Ministerpräsident Rouvier: Er könne einen Aufschub der Inventurauf-
nahme nicht billigen. Er werde das Gesetz zur Anwendung bringen, aber
mit Besonnenheit, Takt und Klugheit. Der Ministerpräsident nimmt eine
Tagesordnung Peret an, welche die Erklärung der Regierung billigt.
Diese Tagesordnung wird aber mit 267 gegen 234 Stimmen abgelehnt.
Hierauf erklärt Rouvier, daß die Regierung an der Verhandlung kein