Nas Benische Reich und seine einzelnen Glieder. (März 23.) 69
rellen Aenderung nichts wissen will. Die königliche Staatsregierung hat
sich stets auf letzteren Standpunkt gestellt. Ich halte es für müßig, heute
die Gründe und Gegengründe der einen oder anderen Seite zu wieder-
holen, weil ja der Zweck der Vorlage nach meinen Ausführungen ein ganz
anderer ist. Was die Abteilungsbildung innerhalb der Gemeinden an-
langt, so habe ich bereits bei der zweiten Etatsberatung mitgeteilt, daß
ich diesem Gedanken nachgehend, statistische Probeerhebungen habe aufstellen
lassen. Diese haben diejenigen Wahlkreise betroffen, welche 1893 vom Ab-
geordnetenhause und seiner Kommission ausdrücklich als typisch anerkannt
worden sind. Wenn es nun auch theoretisch der Grundgedanke des Drei-
klassenwahlrechts ist, die Wählerschaft in Abteilungen zu teilen, von denen
jede eine Einheit finanziell und womöglich sozial ihr möglichst gleichstehen-
der Kräfte zusammenfaßt, wenn es in einem Staatswesen wie Preußen ja
schlechterdings unmöglich ist, diese Klassifizierung durch den ganzen Staat
vorzunehmen, so liegt allerdings der Gedanke nahe, die Klassifizierung
wenigstens durch die ganze Gemeinde zu erstrecken und sie nicht zu be-
schränken auf den einzelnen Urwahlbezirk, dessen Grenzen ja doch willkür-
lich sind. Die Probeerhebungen haben aber ergeben, daß man mit der
Abteilungsbildung in der Gemeinde dem erstrebten Ziele durchgehends
nicht beikommt. Die Gewohnheit der Bevölkerung ist es, ihre Wohnplätze
in den großen Städten, und auf die kommt es doch in erster Linie an,
so voneinander zu trennen, daß die wohlhabenden Elemente eigene Stadt-
quartiere, die unteren und ärmeren andere Stadtteile aufsuchen. Es zeigt
sich, daß es in den Großstädten einen gemeinschaftlichen, einheitlichen Typus
für die Gesamtgemeinde nicht gibt. Die Folge ist, daß Abteilungsgrenzen
in die Erscheinung treten, welche für die Verhältnisse der einzelnen Stadt-
teile nicht passen, in vielen Fällen so wenig passen, daß in einer großen
Zahl von Orten — in einem Orte ist es sogar die Mehrzahl der Urwahl-
bezirke — sich kein Wähler befindet, welcher in die erste oder zweite Ab-
teilung überhaupt hineinpaßt. Dann muß ebenso wie vor 1893 für diese
Urwahlbezirke eine besondere Abteilungsaufstellung gebildet werden, und
wir kommen zu einem Mischsystem, das dahin führt, daß in einem Ort
die Mehrheit der Wähler erster Abteilung in diese Abteilung hineinkommt,
nicht weil sie die Erfordernisse der Steuersumme erfüllt, sondern lediglich
weil sie in einem einzelnen Urwahlbezirk apart wohnt. Nun würden mich
derartige Kuriosa und Inkonsequenzen, die mindestens ebenso groß sind
wie in dem gegenwärtig geltenden System (Heiterkeit), gar nicht so auf-
regen, denn meiner Ueberzeugung nach soll in allen diesen Dingen nicht
die Theorie, sondern die Praxis entscheiden. Aber ebenso wie die Ab-
teilungsbildung durch die ganze Gemeinde zur Folge hat, daß in vielen
Urwahlbezirken überhaupt keine Wähler erster und zweiter Klasse vorhanden
sind, ebenso oft kommt es vor, daß solche zwar vorhanden sind, aber in
sehr geringer Zahl, während die dritte Abteilung außerordentlich reichlich
besetzt ist. Das führt weiter dahin, daß die Anzahl derjenigen Abteilungen,
welche von einem einzigen Wähler beherrscht werden, wesentlich wächst,
und weiter, daß in vielen Urwahlbezirken eine irgendwie systematische
Relation zwischen dem Steuersoll der einzelnen Abteilungen nicht mehr
erkennbar bleibt. Es kommen Fälle vor, wo das Steuersoll der ersten und
zweiten Abteilung im Gegensatz zu dem der dritten ein unendlich hohes
ist, wo von einer Zwölftelung gar keine Rede mehr ist, aber auch um-
gekehrt kommt es vor, daß die Summe des Steuersolls beider unendlich
viel niedriger ist, als das der dritten Abteilung. In der Kommission
werde ich eventuell zeigen, daß es Fälle gibt, wo das Steuersoll der ersten
nicht den zehnten Teil desjenigen der dritten Abteilung aufweist. Diese